Tops und Flops: Der große Olympia-Rückblick

TOP Omar Visintin: Irgendwann bekommt jeder, was er sich verdient. War 2018 Biathlet Dominik Windisch der alles überragende Südtiroler Athlet, so hat diesmal Omar Visintin als Einziger der 28 Südtiroler Olympia-Teilnehmer 2 Medaillen geholt. Nach Bronze im Einzel krönte er seine 3. Olympia-Teilnahme mit Silber im Mixed Team Event mit Michela Moioli. Dabei stand hinter Visintins Olympiateilnahme ein Fragezeichen: Im Boardercross-Weltcup im Montafon stürzte er Anfang Dezember 2021 schwer, nach einer Ellbogen-Luxation mit Bänderriss und Operation war es ein Wettlauf gegen die Zeit. Den Visintin eindrucksvoll gewann.

Die Biathleten: Auf sie ist Verlass: Nach 2014 (Mixed-Staffel) und 2018 (Mixed-Staffel und Dominik Windisch im Sprint) holten die Schützlinge von Cheftrainer Andreas Zingerle auch 2022 &bdquo;ihre“ Medaille. Dorothea Wierer krönte ihre außergewöhnliche Karriere mit ihrem ersten Einzel-Edelmetall im Sprint. Zudem schrieb Lukas Hofer ein denkwürdiges Kapitel Olympia-Geschichte: Trotz eines perfekten Wettkampfs über 20 km ohne einen einzigen Fehlschuss blieb er als Vierter ohne Medaille. Außerdem gab es die Plätze 5 (Dominik Windisch im Massenstart und die Damen in der Staffel), 6 (Dorothea Wierer in der Verfolgung) und 7 (Herren-Staffel). Aber freilich: Was bei Olympia zählt, sind die Medaillen.

Dominik Fischnaller: 2018 war er von allen 3000 Olympiateilnehmern derjenige, der am minimalsten an einer Medaille vorbeigefahren ist: 0,002 Sekunden fehlten ihm damals auf Bronze. Dominik Fischnaller hat mit jenen 2 Tausendsteln einer Sekunde in Peking abgeschlossen. Extrem nervenstark ließ er nichts anbrennen, ließ sich auch von den Corona-Nebengeräuschen rings um das Team der Azzurri nicht aus der Ruhe bringen und machte bereits am 3. Olympiatag den Dosenöffner für weitere Südtiroler Medaillen. Denn die 1. Medaille ist immer die schwierigste. Daniel Grassl war eine positive Erscheinung. © APA/afp / WANG ZHAO

Daniel Grassl: Hut ab vor diesem erst 19-jährigen Eiskunstläufer! Was Daniel Grassl in Peking auf's Eis zauberte, war sensationell. Eigentlich war ein Top-10-Platz sein Olympia-Ziel, obwohl er im Jänner bei der EM als Zweiter Silber gewann und da zeigte, dass er bei Großanlässen Nerven aus Stahl hat. Nach dem Kurzprogramm auf Rang 12, verbesserte er sich mit einer sensationellen Kür, vollgespickt mit extrem schwierigen Sprüngen (er zeigte die viertbeste Kür) um 5 Plätze. Mit 278,07 Punkten übertraf Grassl seine persönliche Bestleistung von der EM (274,48) und war nach 70 Jahren der zweite Azzurro, der es bei Olympia unter die Top 10 schaffte (6. Carlo Fassi 1952).

Roland Fischnaller: Immer er: Seit 20 Jahren zieht der Villnösser den Karren im italienischen Snowboard-Team. Das war auch im reifen Alter von 41 Jahren nicht anders. Nicht Daniele Bagozza und Edwin Coratti – nein, Fischnaller war bis zum Schluss des Parallel-Riesentorlaufs dabei. Im Halbfinale lag er bis 3 Tore vor dem Ziel gleichauf mit dem späteren Olympiasieger Benjamin Karl, im kleinen Finale ebenfalls bis zum Schluss gegen Vic Wild – aber es sollte nicht sein. So bleibt Fisch der große sportliche Traum einer Olympiamedaille unerfüllt. Oder macht er bis 2026 weiter?

Nadia Delago: Dominik Paris nicht, Christof Innerhofer nicht, auch Alex Vinatzer nicht. Nadia Delago holte das einzige Edelmetall bei Südtirols Skifahrern. Das durfte man angesichts der großen Konkurrenz nicht erwarten, kommt aber nicht sensationell. Wiederholt schrammte die 24-Jährige heuer knapp am Podest vorbei. Dass sie ausgerechnet bei Olympia zur Stelle war, zeugt von großer Coolness und Nervenstärke.

Silvia Bertagna: Im Skizirkus der Freestyler ist die 35-Jährige so etwas wie die &bdquo;Oma“ der zumeist jungen Hüpferinnen. Entsprechend ramponiert ist ihr Körper, vor allem ihre Knie. Und dann stürzte Bertagna im Big Air auch noch spektakulär wie schwer. Sie biss sich durch, schaffte im Slopestyle, wo sie vor 3 Jahren letztmals ein Top-Ergebnis herausfuhr, sensationell die Quali und klassierte sich zum Abschluss ihrer Karriere als 10. mittendrin in der Weltklasse. Eine Legende!

Trainer und Serviceleute im In- und Ausland: Egal, ob die Skitrainer Much Mair (Italien), Luis Prenn und Roland Platzer (Schweiz), Christian Thoma (Schweden), die Biathlon-Trainer Andreas Zingerle (Italien) und Patrick Oberegger (Norwegen), der Nordisch-Kombinierer-Trainer Jochen Strobl (Österreich), die ganze Trainerriege bei den Kunstbahnrodlern, angeführt von Rennsportleiter Armin Zöggeler – aber auch die Ski-Serviceleute Sepp Kuppelwieser (Beat Feuz), Christian Gamper (Michelle Gisin) und Christoph Atz (Nadia Delago) – sie alle haben mit ihren Schützlingen im In- und Ausland Medaillen geholt. FLOP Kein Edelmetall für die alpinen Ski-Herren: Die Erwartungen waren wie schon 2018 groß und wegen der bisherigen Weltcupergebnisse auch gerechtfertigt. Nur: Medaillen haben Dominik Paris, Christof Innerhofer und Alex Vinatzer keine geholt. Im Speed-Team gab es auch abseits der Pisten Unruhe, weil Matteo Marsaglia für Mattia Casse aus fadenscheinigen Gründen Platz im Super-G machen sollte. Wenn diese Vorfälle, gepaart mit der Unfähigkeit, wegen der sogenannten Quotenregelung das Reglement nicht zu kennen, am Saisonende keine Konsequenzen nach sich zieht, dann Gute Nacht. Dann wird sich in dem festgefahrenen Karren der Speed-Mannschaft auch ein Ausnahmefahrer wie Dominik Paris extrem schwer tun.

Corona-Teufel: Zuerst durfte der Nordisch-Kombinierer Samuel Costa gar nicht erst anreisen, dann traf es Kevin Fischnaller in Peking, dann Bronze-Gewinner Dominik Fischnaller, zum Schluss auch Leon Felderer: Vor allem die Kunstbahnrodler wurden genau zu Olympia von Corona erwischt. Am brutalsten traf es Kevin Fischnaller, der gar nicht erst zu seinem Wettkampf antreten konnte. Auch Dominik Fischnaller musste die Team-Staffel sausen lassen. Mit ihm wäre vielleicht Bronze drin gewesen. Alle anderen Südtiroler kamen heil durch die Spiele, der Preis der Selbstisolierung und der Verzicht auf soziale Kontakte war ein hoher. Medaille und Quarantäne: Dominik Fischnaller. © ANSA / GUILLAUME HORCAJUELO

Nordische Kombinierer: Konkurrenzfähig sind sie schon längst nicht mehr, die italienischen Nordischen Kombinierer. Auch das ehemalige Aushängeschild Alessandro Pittin ist nur mehr ein Schatten seiner selbst, geschweige denn Samuel Costa. Der Grödner wurde zuerst von Corona ausgebremst, dann ist er bei seinen 2 olympischen Wettkämpfen abgestürzt.

Der Aufholbedarf in mehreren Disziplinen: Der Südtiroler Wintersportverband FISI rühmt sich gerne, ein besonders erfolgreicher zu sein. Allerdings ist es ein Fakt, dass es mit 27 Teilnehmern (Daniel Grassl startete für den Eissportverband FISG) das kleinste Südtiroler Team seit 1994 war. Wenn die grandiose Generation um Dorothea Wierer, Dominik Windisch, Christof Innerhofer, Roland Fischnaller, Emanuel Perathoner und einige andere womöglich Schluss machen sollte, dann sieht's dahinter nicht unbedingt rosig aus. Ganz zu schweigen vom Fehlen olympiatauglicher Athleten in einigen Disziplinen wie Skicross, Snowboardcross, Langlauf, Nordische Kombination und Skispringen. Das betrifft auch das Curling und Short Track beim Eissportverband. Hier sind die Verbände gefordert, denn die Zeit ist knapp. In 4 Jahren sind die Olympischen Heimspiele in Mailand, Cortina und Antholz. Dass bis dahin Sportler von Weltklasseformat heranreifen, bleibt eine spannende, ja eine fast utopisch anmutende Aufgabe.

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