Sigi's Spitzen | Wintersport und Klimawandel

Alles war schon so schön geordnet. Flanellhemden nach vorne, kurzärmlige T-Shirts nach hinten. Pullover in Griffnähe, Winterjacken sowieso. Und plötzlich zeigt das Thermometer fast 20 Grad an. Plus. Der Schrank wird wieder umgeräumt, denn die Sonne brennt schier wie im Sommer auf die Terrasse. Der Winter scheint in weiter Ferne zu liegen. Ist er gar schon vorüber? Wenn es an Ostern so ist wie zum Jahresbeginn, wären wir ja froh. Aber jetzt will man verspielte Eisblumen und glitzernde Schneekristalle.

Klimawandel? Föhnsturm in Innsbruck. Nicht einmal die Adler können fliegen und müssen nach Bischofshofen ausweichen. Slalom in Zagreb. Die Schneekönigin Petra Vlhova schwingt auf einer Dreckspiste durch die Tore. &bdquo;Der schmutzigste Slalom aller Zeiten“, schreiben die Gazetten. Es ist zu warm. Einen Tag später ist die Piste gänzlich kaputt. Der Herrenslalom kann nicht ausgetragen werden und wird um einen Tag verschoben. Das wird stressig werden für viele, denn am Wochenende soll der Skizirkus schon in Adelboden (Schweiz) aufschlagen. In Oberhof wurde die Loipe zum &bdquo;Bachlauf“ Die Damen holen ihren in Maribor ausgefallenen Wettkampf immerhin in Slowenien und zwar in Kranjska Gora nach. In Oberhof durften die Biathleten zum Training nicht auf die Strecke. Die verschwand förmlich im Temperaturschock und verwandelte sich in einen Bachlauf. Der Sprint der Männer wurde auf den 7. Januar verlegt. Zum Glück ist es etwas kälter geworden mittlerweile.

Wintersport und Klimawandel – ein brisantes Thema. © dpa-Zentralbild / Hendrik Schmidt

Und doch scheint das Wort Klimawandel einfach nicht ankommen zu wollen in der Welt des Sports, weil es ja doch immer wieder gelingt, irgendwie und irgendwo Ersatzorte zu finden, die einen Wettbewerb austragen wollen. Koste es was es wolle. Längst müssten wir uns von Gletscherrennen verabschieden. Auch prominente ehemalige Rennläufer wie Felix Neureuther fordern dies mittlerweile lautstark ein. Aber auch seine Anmerkungen verhallen irgendwann wie ein Echo in den Bergen. Kurz merkt man auf, hört hin, hört sogar zu und dann beginnt der übliche Kreislauf. Die Terminhatz geht weiter. Kritik fällt der Vergesslichkeit anheim. Klimawandel? Ist ja so weit weg.

Wenn dereinst und vielleicht wird das auch eintreten, die Polarkappen abschmelzen und alle Eismassen dazu, würde, so hat man das berechnet, der Meeresspiegel um 65 Zentimeter steigen. Das klingt derart absurd und unwirklich, dass es schwerfällt, sich mit solchen Parametern auseinanderzusetzen. Und außerdem juckt das ja etwa den Skizirkus dann trotzdem nicht. Der stellt seine Zelte oberhalb dieser ominösen Marke auf, weit über den Wassermassen. Längst heißt es dann zwar: Land unter, auch in unserer Nähe, aber gewedelt, gesprungen und gelaufen wird weiterhin, als wäre nichts passiert. Haben wir genug getan? Dabei müssten wir uns jeden Tag fragen: Haben wir genug getan, um den Supergau zu verhindern? Können wir als Einzelperson überhaupt etwas dazu beitragen, dass der Klimawandel aufgehalten wird? Was nützt es, wenn ich statt des Autos das Fahrrad nehme, während ein Kreuzfahrtschiff zur Belustigung ihrer zahlenden Kundschaft ungehemmt Schadstoffe ausstößt in beängstigendem Ausmaß. Lungenkranken Menschen wird gar von einer Kreuzfahrt abgeraten, weil das Schweröl, mit dem die Schiffe betankt sind, bei ihrer Verbrennung auch Feinstaub und Stickoxide verbreitet. Aber wir sind ja eine Spaßgesellschaft, natürlich und außerdem trifft es ja immer die anderen, nicht uns direkt.

Aber es gibt noch eine weitere Gefahr, die ziemlich nah ist. Permafrostböden, mit die wichtigsten Kohlenstoffsenken der Erde, tauen allmählich auf und auch der alpine Bereich ist davon betroffen, was sich in Rissen im Felsen zeigt, die Naturkatastrophen auslösen können. So geschehen etwa im schweizerischen Graubünden vor fünf Jahren. Der Bergsturz von Bondo hatte sich übrigens angekündigt durch Felsabbrüche und Muren in den Jahren zuvor. Absagen sind Hinweise Natürlich hat all das mit den Verlegungen und Problemen im Wintersport nichts zu tun. Denken wir, weil es so bequem ist. Wir wollen das nicht wahrhaben und auch nicht darauf reagieren. Wir wollen unser Leben so weiterleben, wie wir es bislang kennen. Und wenn dann wieder Winter ist, so richtig schöner Winter, vergessen wir ganz schnell mal den Klimawandel und Corona auch und überhaupt alles. Wird schon nicht so schlimm werden.

Dabei stecken wir schon mittendrin im klimatischen Elend. Absagen und Verschiebungen von Sportveranstaltungen im Winter sind Hinweise, die man nicht ignorieren sollte und dürfte, denn sie häufen sich zunehmend. Die Reaktion darauf: T-Shirt und Flanellhemden werden künftig nebeneinander Platz nehmen. Man weiß ja nie.

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Sigi's Spitzen | Wintersport und Klimawandel

Die vielen Verschiebungen im Kalender des Wintersports geben unserem Kolumnisten Sigi Heinrich neuerlich zu denken, was den Klimawandel betrifft. Dieser steht nämlich nicht vor der Tür, sondern hat uns schon erreicht, wenngleich die Bequemlichkeit noch immer die Realität verdrängt.

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