Zwischen Märchen und Wahnsinn: Das war Kitzbühel 2023

Gestern Nachmittag um 17 Uhr in Kitzbühel: Alle Straßen leergefegt. Hie und da noch ein übrig Gebliebener vom Herren-Slalom, aber nicht mehr. Wer ab sofort abends am Gehsteig ausrutscht und sich den Fuß verstaucht, der riskiert in Kitzbühel, nicht vor dem nächsten Morgen gefunden zu werden.

Jetzt gehört die Gamsstadt wieder den zumeist betuchten Zweitwohnungsbesitzern und den Touristen. Sie werden nach der genialen Werbung mit zuerst tagelangem Schneefall und gestern Sonnenschein wohl in Scharen einfallen. Dabei hat alleine die Kitzbühel-Weltcupwoche eine Wertschöpfung von fast 50 Millionen Euro generiert. Obwohl die ersten Tage noch sehr, sehr ruhig verliefen. Nicht einmal am Donnerstag, wo es traditionell schon hoch hergeht in Kitz, war viel los. In den meisten Clubs und Bars kam man problemlos rein. Selbst am Freitag bei dichtem Schneefall war der Partyandrang in der Innenstadt nicht zu vergleichen mit Vor-Corona-Zeiten.

Trotzdem ließen es sich die Veranstalter vom Kitzbüheler Skiclub nicht nehmen, auf ein ausverkauftes Abfahrtsrennen am Samstag hinzuweisen. 45.000 Zuschauer wurden angegeben. Dabei gab es ausschließlich im Internet nur 25.000 Tickets zu kaufen. Wie und wo die restlichen 20.000 zusammen kamen, ist ein Rätsel. Zumal schon die TV-Bilder aus der Luft bewiesen, dass die Zahlen der Veranstalter nicht stimmen können. Aber so ist Kitzbühel: Schräg, schrill, mit viel Geflunkere und einem nie enden wollenden Hang zur Übertreibung.

Nicht übertrieben haben die Veranstalter bei einer weiteren PR-Aktion eines ehemaligen Ski-Superstars: War vor einem Jahr Marcel Hirscher Vorläufer und nutzte dies zu einem PR-Film für Red Bull, so schlüpfte heuer Lindsey Vonn in diese Rolle. Zwar nicht als Vorläuferin, aber sie bezwang die Streif bei Nacht. Und das nicht in einem Zug, sondern immer stückweise, wie aus gut informierten Kreisen zu erfahren war. Mehrere Streckenteile wurden mit Lampen ausgeleuchtet, wobei sich &bdquo;la Vonn“ dort gekonnt in Szene setzte und dank genialer Kameratechnik und Tonuntermalung der Eindruck entstand, als ob sie die gesamte Strecke durchgefahren ist. Bei ihrem PR-Gag erhielt Vonn Unterstützung vom ehemaligen Kitzbühel-Abfahrtssieger Daron Rahlves (2003, 2004) und verglich die Fahrten mit dem &bdquo;absoluten Highlight neben meinem Abfahrts-Olympiasieg 2010 in Vancouver“. Wer's glaubt.

Pistenarbeiter im Dauereinsatz Kein Highlight waren die Tage in Kitzbühel für die FIS-Verantwortlichen. Vor allem die für die Abfahrtspiste Verantwortlichen Hannes Trinkl und Raimund Plancker waren pausenlos im Einsatz. Plancker legte sich nach der Freitag-Abfahrt am Nachmittag 2 Stunden ins Bett. Ab Mitternacht stand, rutschte und schaufelte er mit rund 250 Pistenrutschern – darunter auch einige Südtiroler – ununterbrochen bis zum Rennbeginn am Samstag um 11.30 Uhr am Berg, um auch die 2. Abfahrt gut über die Bühne zu bringen. Ein derartiger Einsatz der Pistenkommandos ist höchstens noch in Gröden der Fall, ansonsten die Ausnahme. Angeblich stehen FIS-Renndirektor Markus Waldner hinsichtlich WM in Frankreich vom 5. bis 19. Februar schon jetzt die Haare zu Berge. Dort sind erstens Pistenarbeiter Mangelware und zweitens die wenigen, die dort sind, nicht zu solchen Kraftakten aufgelegt. Das kann ja heiter werden.

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