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WM-Stimmung am Fuße des Salsong, danach lechzt man in Gröden seit Jahrzehnten. © Saslong Classic Club

Kampf um die Ski-WM: Gröden träumt, bangt und hofft

Der Tag der Wahrheit naht. Noch 3 Mal schlafen, dann weiß Rainer Senoner, ob er mit seinen Grödner Mitstreitern die Ski-WM 2029 ausrichten darf. Am Dienstag wird beim 55. FIS-Kongress in Reykjavik über die Vergabe entschieden. Unmittelbar vor der Abreise nach Island wirkt Senoner so gelassen wie nur selten in den letzten Wochen und Monaten. Der OK-Chef weiß, jetzt liegt es nicht mehr in seiner Hand.

Von:
Alexander Foppa

Mit einem höflichen Lächeln im Gesicht bittet Rainer Senoner an seinen Schreibtisch, als er SportNews zum Interview in seinem Büro im Ortskern von St. Christina empfängt. Mit wenigen Handgriffen schiebt er einige Unterlagen zur Seite. Alles hat seinen Platz in Senoners Arbeitsreich. Er feile gerade noch an den letzten Details seiner Rede vor den höchsten Funktionären des internationalen Wintersports, so der OK-Chef.


So aufgeräumt und sortiert wie sein Schreibtisch, sind auch seine Gedanken zur bevorstehenden WM-Vergabe. Mit präziser Wortwahl trägt er sie vor. „Wir erfüllen alle Kriterien, sind gut vorbereitet“, so Senoner, der anschließend ausfährt: „Die Idee einer Weltmeisterschaft in Gröden reifte bereits vor fast zwei Jahrzehnten, seit der WM 2021 in Cortina wird konkret geplant. Jetzt geht es in den Endspurt. Am Sonntag steige ich mit einem guten Gefühl in den Flieger.“

Rainer Senoner verbrachte zuletzt viel Zeit vor seinem Rechner. © Saslong Classic Club


Der von Senoner beschriebene Weg war nicht nur ein langer, sondern auch ein steiniger – auch weil es Widerstand im Tal gab. „Alle auf einen Nenner zu bringen, ist unmöglich. Wir haben uns aber die Bedenken angehört, dann unzählige Gespräche geführt, Vorträge gehalten und unsere Ideen präsentiert.“ Das habe sich laut Senoner bezahlt gemacht. Hauptargumente der Gegner waren Umweltbedenken und Verkehrsprobleme. „Gröden ist mit den Skiern von nahezu allen umliegenden Ortschaften und Tälern erreichbar, das wollen wir bewerben. Wir haben bestehende Pisten und Aufstiegsanlagen, die genutzt werden können. So nachhaltig wie wir ist kein anderer Bewerber.“


Budget von mehr als einer Million Euro

Wer sind eigentlich die anderen Bewerber, von denen Senoner spricht? Zum einen ist es das norwegische Narvik, zum anderen Soldeu in Andorra. Um ihnen einen Schritt voraus zu sein, wird in Gröden viel Geld in die Hand genommen. Etwas mehr als eine Million Euro hat Senoner mit seinem Team zusammengetragen, um die Bewerbung auf die Beine zu stellen. Das sei allerdings längst keine Erfolgsgarantie, so der Grödner Funktionär, zumal „bei unseren Konkurrenten große wirtschaftliche Interessen dahinterstecken. Wir müssen und wollen mit der WM dagegen nichts finanzieren oder ankurbeln. Bei uns geht es in erster Linie um den Sport. Dafür steht Gröden seit Jahrzehnten und damit wollen wir punkten.“
„Bei uns geht es in erster Linie um den Sport.“ OK-Chef Rainer Senoner

In der Tat wird zwischen Runggaditsch und dem Grödner Joch seit Menschheitsgedenken dem alpinen Skisport gefrönt, jedoch fand bislang nur ein einziges Mal eine WM im Tal der Holzschnitzer statt. Das war im fernen Jahr 1970. „Jetzt ist es wieder an der Zeit! Wir möchten den Grödnern aber auch allen Südtirolern ein Sporterlebnis bieten, an das man sich noch lange zurückerinnert. Nach der WM sollen dann neue, junge Leute das Ruder an der Saslong übernehmen.“


Entscheidung am Dienstag

Im Gespräch mit Senoner merkt man rasch: Hinter seinen Worten verbirgt sich eine klare Idee, eine Vision. Diese Vision hat zur Folge, dass sich die Arbeitstage des 57-Jährigen aus Wolkenstein momentan schier endlos in die Länge ziehen, er reihenweise Meetings und Telefongespräche führt, dazu unzählige Hände schütteln muss. Dennoch lächelt er beruhigend, als wir ihm am Ende des Gesprächs die Frage stellen, ob er denn so kurz vor dem Tag der Wahrheit gut schlafen könne. „Ja, das klappt ganz gut. Ich habe gelernt, den Kopf auszuschalten. Und ganz ehrlich: Es kam auch schon vor, dass ich von der Ski-WM geträumt habe. Das waren dann gute Träume.“ Am Dienstag um 20 Uhr könnte dieser Traum Wirklichkeit werden, wenn in Reykjavik der Ausrichter der Ski-WM 2029 verkündet wird.

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