„Habe mich schuldig gefühlt“: Die Geschichte der Elisa Platino

Noch kurz mit den Trainern die wichtigsten Punkte besprechen, sich danach ins Schlafzimmer zurückziehen, ein wenig das Handy durchstöbern, Musik hören und dann in aller Ruhe einschlafen. So in etwa sieht der Abend eines Ski-Profis vor einem Rennen aus. Nicht jener von Elisa Platino. Die Südtirolerin war in den letzten zwei Jahren auf sich alleine gestellt. Sie fuhr zwar für Italien, erhielt vom Wintersportverband FISI jedoch keine Hilfe. Reisen organisieren, Trainingsmöglichkeit schaffen, Ski präparieren: Das und vieles mehr fiel der 23-Jährigen zur Last. &bdquo;Es ist lustig, wenn man im Skiraum steht und die einzige Athletin ist“, sagt sie zurückblickend. Es sind Umstände, die an ihren Kräften nagten und sie beinahe zum Karriereende zwangen.

&bdquo;Ich bin schon sehr oft zum Punkt gekommen, an dem ich gesagt habe: Das ist meine letzte Saison, weil es finanziell einfach nicht mehr stemmbar war“, gesteht Platino. &bdquo;Ich habe mich meinen Eltern gegenüber schuldig gefühlt.“ Sie dachte, sie sei eine Last – und erlegte sich so selber einen immensen Erfolgsdruck auf. &bdquo;Meine Mutter hat fünf Arbeiten gleichzeitig ausgeübt, um mir meinen Traum zu ermöglichen. Wir haben oft darüber geredet, ob ich es noch probieren soll, ob es noch Sinn macht. Ich habe immer die Rückendeckung meiner Eltern gespürt, sie haben mich stets unterstützt, doch irgendwann sind sie an ihre Grenzen gestoßen.“

Elisa Platino hat kürzlich die Ausbildung bei den Carabinieri abgeschlossen. © Elisa Platino

Glücklicherweise ist Platino diese Sorgen nun los. Zuerst wurde sie im Frühling – nach dem Gewinn des Italienmeistertitels im Riesenslalom – in den Nationalkader einberufen, ehe Ende August die schönste Nachricht folgte. Platino, die bereits zwei Mal zuvor dafür angesucht hatte, schaffte es in die Sportgruppe der Carabinieri. &bdquo;Es wäre untertrieben, wenn ich sagen würde, dass ich erleichtert war. Es ist einfach unbeschreiblich. Meine Passion, die in all den Jahren trotz aller Widerstände nie erloschen ist, ist zu meinem Beruf geworden.“ Ein rasanter Aufstieg Die Karriere der Elisa Platino verlief jahrelang in nur eine Richtung: Nämlich nach oben. Nach drei Jahren im Landeskader gewann sie 2018 die Gesamtwertung des Marlene Cups, Südtirols wichtigste Jugend-Rennserie. Im gleichen Jahr entschied sie den Gran Premio d’Italia, kurz GPI, im Riesentorlauf für sich, wodurch sie sich einen Fixplatz im Nationalteam erkämpfte. Nach der Matura an der Sportoberschule Mals startete sie durch und gab im Alter von 20 Jahren am Kronplatz ihr Debüt im Weltcup. Sie arbeitete sich vom C-Team in die B-Mannschaft hoch und war bereit für den nächsten Schritt. Doch dann kam Corona. Nach einer nicht nach Wunsch verlaufenen Saison, &bdquo;in der die ganze Gruppe etwas untergegangen ist“, fiel sie 2020 aus dem Nationalteam. &bdquo;Die FISI hat damals ein bisschen aufgeräumt, sechs der acht Athletinnen in unserer Gruppe flogen raus“, erinnert sich Platino zurück. Anschließend begann der angesprochene, lange Weg zurück, der am 26. März dieses Jahres seinen Höhepunkt fand.

Das Podest der Italienmeisterschaft. © Arnoul Matteo

&bdquo;Ich hätte nie im Leben erwartet, dass ich den Italienmeistertitel gewinne“, sagt Platino. &bdquo;Ich war eigentlich schon so mit meiner Saison glücklich, bin ich doch mit einer Ausnahme bei jedem Europacup in den Punkten gelandet. Das war ein Erfolg, zumal ich das zuvor erst zwei Mal erreicht hatte. Beim letzten Rennen in Soldeu (Andorra) kam ich zwar erstmals in die Top Ten, ich fühlte mich aber ziemlich müde und ausgelaugt.“ Umso überraschender war es für sie, dass sie Riesentorlauf-Koryphäen wie Marta Bassino und Federica Brignone hinter sich ließ. Schwere Vorbereitung Als Belohnung wurde sie wieder ins Nationalteam geholt. Dennoch lief die Vorbereitung auf die neue Saison nicht nach Wunsch. &bdquo;Wir haben mit dem Trainerstab einen Plan festgelegt. Dieser legte den Schwerpunkt aufs Trockentraining, zumal ja Ende August die Südamerika-Reise vorgesehen war. So hatte ich im Juni und Juli insgesamt 18 Skitage“, erklärt Platino, die dann nicht zum Trainingslager nach Ushuaia mitdurfte. Der Grund: &bdquo;Mitte August erhielt ich die Nachricht, dass ich von den Carabinieri aufgenommen wurde und sechs Wochen Ausbildung in Turin durchlaufen muss. Die Südamerika-Reise fiel somit aus.“

Obwohl Platino erst am Sonntag, 16. Oktober im Schnalstal auf Schnee zurückkehrte, wurde sie für das Weltcup-Opening in Sölden aufgeboten: &bdquo;Ich bin gefragt worden, ob ich starten will. Nach reifen Überlegungen haben wir mit den Trainern entschieden, es zu versuchen. Auch wenn ich natürlich nicht nur am Start stehe, um dabei zu sein, ist die Teilnahme eine gute Standortbestimmung.“ Die Vorfreude sei groß und sie versuche, ihren ersten Weltcup-Start nach über drei Jahren zu genießen.

Sie wisse nicht, wozu sie in der Lage sei, da sie &bdquo;eher eine Athletin ist, die viele Skitage braucht, um in Form zu kommen.“ Das sei auch der Grund, warum sie vor allem am Ende der Saison gute Ergebnisse einfahre. Platino, die sich als &bdquo;sehr ehrgeizig“ bezeichnet, will mit Gewissheit eine gute Figur abgeben, sich im Laufe der Saison im Europacup etablieren und sich so für größere Aufgaben empfehlen.

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„Habe mich schuldig gefühlt“: Die Geschichte der Elisa Platino

Beharrlichkeit wird im Sport belohnt. Auf kaum jemand trifft diese Phrase besser zu, als auf Elisa Platino. Die 23-Jährige aus Meran hat trotz des jungen Alters schon viel in ihrer Ski-Karriere erlebt – und uns ihre erstaunliche Geschichte vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden erzählt.

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