Ein Sieg für die Liebe

Natürlich könnte man das Thema &bdquo;Liebe“ schwärmerisch und romantisch verklärt angehen. Rosen, die vom Himmel regnen. Ohne Dornen. Ewige Treueschwüre und ein Leben auf Wolke sieben. Schmetterlinge, die im Bauch zum ständigen Sturzflug ansetzen. Sonnenschein den ganzen Tag, egal bei welcher Wetterlage. Träumen eben. Doch ein Blick hinter die Kulissen offenbart, dass der Liebe oft viele Steine in den Weg gelegt werden und dass um sie gekämpft werden muss. Von beiden Partnern. Für mich sind Franziska Gritsch und Florian Stengg aus Österreich ein perfektes Beispiel für eine Liebe, die auch darin besteht, dass beide Opfer bringen müssen, um sie leben zu können. Franziska ist eine der besten Skiläuferinnen ihres Landes. Eine der wenigen Allrounderinnen zudem. Und mit solchen Talenten ist selbst die Alpenrepublik nicht unbedingt gesegnet. Florian ist Trainer in Diensten des Österreichischen Skiverbandes. Bei diversen Übungseinheiten haben sich die beiden näher kennengelernt und sich dann auch offen zu ihrer Liebe bekannt.

Wer dann aber glaubt, die Verantwortlichen des Verbandes hätten sich darüber gefreut und gar noch gratuliert und Blumen geschickt, weiß wenig über diese Welt, die allem, was nicht in vorgefertigte Schubladen passt, skeptisch, ja negativ gegenübersteht. Eine solche Liebe darf es nämlich nicht geben. Der neue Alpindirektor Herbert Mandl sprach das klar aus: &bdquo;Er kann sich nicht vorstellen, dass er sie nicht irgendwie bevorzugt.“ Er, also Florian, sie, also Franziska. Jetzt ist der Herbert, den ich schätze und zu dem ich einen freundschaftlichen Kontakt pflege, weil wir uns auch schon kennen seit er Trainer der norwegischen Damen war (vor mehr als 30 Jahren), auch kein Jungspund mehr, weshalb ich da schon mehr Feingefühl erwartet hatte. Stattdessen packt er die Keule der Obrigkeit aus. Die Liebe freilich, die kann er nicht verbieten. Das schafft selbst ein ÖSV-Funktionär nicht.

Mit Ergebnissen gegen den Frust Beiden das Leben schwer machen, das war möglich und wurde auch sogleich in die Tat umgesetzt. Franziska Gritsch darf zwar ÖSV-Kadermitglied bleiben, aber nicht mehr mit dem Team trainieren. Und Florian Stengg bekommt kein Gehalt mehr, wurde also quasi entlassen. Ich überlege kurz, in welcher Zeit wir leben. Doch noch im Mittelalter? Sowohl Gritsch als auch Stengg haben sich glücklicherweise nicht beirren lassen. &bdquo;Immer dem Herzen nach“, meinte die Skifahrerin und liefert als Privatteam mit ihrem Herzbuben Ergebnisse, mit denen sich der Verband brüsten kann.

Franziska Gritsch will es auf eigene Faust packen. © APA/EXPA/DOMINIK ANGERER / EXPA/DOMINIK ANGERER

Sie gehört fast bei allen Rennen zu den zwei oder drei besten Österreicherinnen. Dabei ist der Aufwand, den beide betreiben müssen, enorm. Es gibt kein Auto mehr aus dem Fahrzeugpool. Übernachtungen müssen ebenso wie Trainingsaufenthalte selbst finanziert werden. Die beiden sind auf sich alleine gestellt. Im Grunde ist Franziskas Leistung jedes Mal um etliches höher zu bewerten als die ihrer ehemaligen Kolleginnen. Sich gänzlich vom Verband zu lösen ist indes nicht möglich, denn die Strukturen des Internationalen Ski-Verbandes (FIS) ermöglichen keine Privatstarter. Zumindest den Meldezettel also füllt man in Innsbruck noch für Gritsch aus. Ich frage mich freilich, warum man nicht versucht hat, das vor allem Positive einer solchen Verbindung, einer solchen Liebe, zu erkennen? Ich glaube nämlich, dass Gritsch mit ihrem Florian auch im ÖSV-Verbund eher noch mehr profitiert hätte. Stengg hätte sie nie bevorzugt. Eher wäre noch das Gegenteil der Fall gewesen. Mit etwas mehr Lockerheit und Weltoffenheit und dem Glauben an die Kraft der Liebe hätte sich auch Herbert Mandl anders entscheiden können. Eine Chance für die Liebe. Ja, das wäre es gewesen

Zerwürfnisse führen zum Privatteam Ich habe eine ähnliche Situation wie bei Gritsch und Stengg schon einmal vor 29 Jahren miterlebt. Damals gab es ein Zerwürfnis zwischen Michaela Gerg-Leitner, ihrem damaligen Ehemann Christian Leitner und dem Deutschen Ski-Verband. Michaela trainierte danach außerhalb der DSV-Strukturen und trat quasi als Einzelkämpferin an. Sie wurde später meine Co-Kommentatorin bei Eurosport und gewann am 20 Januar 1995 die erste Cortina-Abfahrt mit 0,2 Sekunden vor Picabo Street (USA). Und vor allem noch vor dem damaligen Superstar in Deutschland, Katja Seizinger. Gratuliert hat seinerzeit niemand vom Verband. Gerg stand abseits verloren im Zielraum. Es war ein Erfolg, den der Verband am liebsten verschwiegen hätte. Es bleibt zudem ja auch in Zukunft wohl nicht aus, dass Verbindungen zustande kommen, die sich außerhalb gängiger Normen ergeben. Man trifft sich eben im beruflichen Umfeld und dort manchmal halt auch außerhalb der üblichen Trainingszeiten. Oder auch Dienstzeiten. Kai Wegner, Berlins Regierender Bürgermeister, hat vor kurzem seine Beziehung zur Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch öffentlich gemacht. Ja und? Greift jetzt Bundeskanzler Scholz noch als oberster Moralapostel ein? Oder gar Bundespräsident Walter Steinmeier? In diesem Fall, wie auch bei Franziska Gritsch und Florian Stengg oder allen, die Amors Pfeile spüren, sollten wir einfach dem Leben vertrauen. Und der Kraft der Liebe.

Der Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises und des Bayerischen Sportpreises), Buchautor und Eurosport-Kommentator der ersten Stunde (seit 1989) widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi`s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert gerne auch in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst und nachdenklich oder bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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Ein Sieg für die Liebe

Im Sport- und nicht nur da- lässt Amor mitunter heftig seine Pfeile fliegen. Unser Kolumnist Sigi Heinrich hatte naiv geglaubt, dass ein solches freudiges Ereignis auch immer entsprechenden Jubel auslöst. Doch das Gegenteil ist oft der Fall.

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