Dominik Paris, Kitzbühel und die Suche nach dem Limit

Der vierfache Kitzbühel-Sieger steht vor den Rennen in Kitzbühel s+ Rede und Antwort. Paris spricht über die schwierigen letzten Jahre, die wiedergefundene Form, den Ausnahmeathleten Marco Odermatt, seine Erwartungen für die Rennen auf der Streif und über Jannik Sinner, der sich zuletzt als Paris-Fan geoutet hatte.

Dominik Paris, sind Sie abergläubisch? &bdquo;Nein, eigentlich nicht. Warum sollte ich?“

Nun, in Kitzbühel haben Sie immer an ungeraden Jahren gewonnen oder einen Podestplatz geholt. Jetzt ist 2024... &bdquo;Diese Jahresstatistik ist mir wurscht. Denn dann hätte ich auch 2023 (5. in der 1. Abfahrt) besser fahren müssen.“

Sie hatten im Vorjahr eine schwierige Saison. Was macht der Domme heuer anders?

&bdquo;Ich habe nach der letztjährigen Saison alles auf den Prüfstand gestellt. Im Frühjahr habe ich viel getestet, vor allem was die Skischuhe betrifft. Wenn es unter den Füßen flutscht, dann fährt man einfach anders. Ich habe dann einen Monat lang komplette Pause gemacht, bin mit Körper und Geist herunter gefahren und gar nichts getan.“ „So wie Odermatt derzeit in manchen Kurven auf Zug fährt, ist das kein anderer imstande.“ Dominik Paris Können Sie das erläutern? &bdquo;Die Saison war brutal anstrengend, sie hat mental viel Kraft gekostet. Wenn es nicht rund läuft, probiert man alles mögliche aus, hadert mit sich und der Welt. Ich war verunsichert, wusste nicht, soll ich mich nach vorne, nach hinten, nach oben oder nach unten bewegen. Tue ich zu wenig, tue ich zu viel? Oder soll ich etwas umstellen, und dann funktioniert auch das nicht? Es war ein Teufelskreis.“

2022 wurden sie in den beiden Grödner Abfahrten 42. und 30: Ein Tiefpunkt? &bdquo;Das kann man so sagen, obwohl ich mich nach Weihnachten stark heraus manövrierte. Aber das ist der Unterschied zum Vorjahr: Ich habe mit meinem Trainer- und Betreuerstab alles auf den Kopf gestellt. Ich trainiere nicht mehr soviel Kraft, denn davon habe ich genug. Ich stellte mein Konditionstraining um und stellte den Fokus darauf, dass mein Körper geschmeidiger wird, gelenkiger und wendiger. Ich habe spezielle Trainings gemacht, die auch für den Kopf leichter zu verarbeiten waren. Dadurch blieb der Lustfaktor hoch. Außerdem habe ich viel Riesentorlauf trainiert und auch einige Tage Slalom. Das hat mir alles geholfen.“

Zuerst die Absagen in Zermatt und in Beaver Creek, dann der späte Saisonstart in Gröden... &bdquo;Ja, dort bekam ich einen starken Speed verpasst. Vom 1. Training an lief es, ich bekam großes Vertrauen. In der 1. Abfahrt fuhr ich noch zu hart, da wollte ich alles derreißen. Ich hatte einige Naggler drin, weil ich zu wenig geschmeidig war. Tags darauf folgte das Desaster im Super-G (55.), das mich aber nicht störte. Mit Startnummer 2 hatte ich bei schneller werdender Piste nie den Hauch einer Chance.“

Dafür lief es in der 2. Abfahrt genial... &bdquo;Mir ist ein Riesenstein vom Herzen gefallen und es war für mich eine Überraschung. Ich versuchte, extrem fein zu fahren, mit ganz viel Gefühl. Die Ciaslatwiese gelang mir gut wie nie, und im Zielschuss hatte ich einen derartigen Zunder drauf, dass ich selber erschrocken bin. 'Heute gehts dahin', dachte ich mir. Als ich die Zeit sah, war ich baff.“

Fühlt sich auf der Streif wohl: Dominik Paris © APA/afp / JOE KLAMAR

Die doppelte Nullnummer von Bormio hat ihr Selbstvertrauen nicht angeknackst? &bdquo;Logisch war es extrem schade. Das Podium war in der Abfahrt locker drin. Wäre ich nur normal runter gefahren, hätte es zu Rang 3 gereicht. Aber ich wollte mehr und habe alles riskiert. Ich wusste, wo ich den Unterschied ausmachen kann. Aber dann kam dieser Schlag, und weg war ich. Bei 100 Versuchen passiert das einmal. Aber so ist es, wenn man voll am Limit fährt.“

Was bedeutet für Sie, voll ans Limit zu gehen?

&bdquo;Gute Frage. Jeder Athlet hat ein Limit. In technischer Hinsicht: Bin ich noch über dem Ski? Beherrsche ich ihn noch? Kräftemäßig: Beherrsche ich auch in Extremsituationen noch die Fliehkraft? Und dann kopfmäßig: Getraue ich mich, noch frecher zu fahren? Jeder Athlet hat sein eigenes Limit. Der eine nimmt etwas heraus, der andere versucht, es noch weiter hinaus zu schieben. Dieses Limit muss jeder Athlet selber ausloten. Und das dann umzusetzen, ist die große Skifahrerkunst. So wie Odermatt derzeit in manchen Kurven auf Zug fährt, ist das kein anderer imstande.“

Wegen der Stürze einiger Top-Athleten gibt es wieder einmal eine Sicherheitsdiskussion im Speed-Weltcup. Berechtigt? &bdquo;Man kann nicht an 6 Wochenenden 6 Speedrennen mehr machen als noch vor 5 Jahren. Einen Slalom kann man auch unter der Woche fahren oder am Abend. Diese Disziplin ist einfacher zu gestalten als ein Speedrennen. 2 Abfahrten in Kitz zu fahren ist eine enorme Herausforderung. Vor allem mental ist es kaum zu packen.“

Ist es eine Frage der Physis? &bdquo;Wir sind schon fit, aber wenn der Kopf nur ein bisschen schwächelt, wird der Körper auch schwächer. Sobald die Konzentration in einer einzigen Passage ein bisschen nachlässt, dann ist die Gefahr, dass etwas passiert, größer. Es geht vor allem um die Reaktionszeit. Die kann sich bei einer kleinen Unachtsamkeit fatal auswirken. Im Riesentorlauf und Slalom ist die Geschwindigkeit niedriger, die Skier kürzer. Auch da passieren Stürze, aber die sind nicht so schwer. Wenn man bei uns Luft bekommt, dann brauchst du ein Netz, das dich aufhält.“

Die FIS versucht, gleich viele Rennen in den technischen und in den Speed-Disziplinen zu veranstalten. Eine Illusion? &bdquo;Nein, das nicht, aber es ist einfach schwierig, an einem Renn-Wochenende 3 Speedrennen durchzupeitschen. Für mich können durchaus mehr technische Rennen stattfinden, aber unter dem Strich sollten nur die besten 7 Ergebnisse pro Disziplin zählen. Dann würde man sich viele Diskussionen sparen.“

Sie kommen heuer das 15. Jahr nach Kitzbühel. Was hat sich seit ihrem Debüt 2010 geändert? &bdquo;Es ist mein 14. Jahr, im Jahr 2020 verletzte ich mich am Tag vor dem 1. Training am Knie. Aber zurück zur Frage: Es ist mittlerweile eine gewisse Routine dabei. Nur: Vor dem 1. Training bin ich immer noch besonders nervös. Ich stehe im Starthaus, schaue runter und muss mich neu überwinden. Erst nach einigen Kurven kommt das vertraute Gefühl zurück.“

Sind Sie bereit für einen nächsten Husarenstreich? &bdquo;Ich bin froh, wie es derzeit läuft, wie gut meine Form ist. Aber ich bin noch nicht am Maximum, das Limit auf den letzten Zacken auszureizen. Mal schauen, ob ich das am Freitag und Samstag imstande bin.“ „Er ist die Nummer 4 in einer absoluten Welt-Sportart, dagegen sind wir nur kleine Fische.“ Dominik Paris Letzte Frage: Jannik Sinner hat sich zuletzt als großer Paris-Fan geoutet... &bdquo;Ich habe davon gelesen. Ich kann nur sagen, dass der Jannik eine coole Socke ist. Er ist die Nummer 4 in einer absoluten Welt-Sportart, dagegen sind wir nur kleine Fische. Wo er sich bewegt, das ist eine ganz andere Welt als wir Skifahrer. Was er leistet, ist phänomenal. Das imponiert mir gewaltig.“

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Dominik Paris, Kitzbühel und die Suche nach dem Limit

37 Rennen hat Dominik Paris in Kitzbühel bestritten, seit er 2010 erstmals auf der Streif an den Start ging. Längst gehört der 34-Jährige zu den Superstars im Skisport. Vieles hat sich seit den Paris-Anfängen verändert, eines nicht: Die Gier nach immer neuen Erfolgen

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