L Ski Alpin

Der US-Amerikaner schmunzelt in die Kamera.

Die Story geht unter die Haut: Amerikas heimlicher Ski-Held

Es sind nicht immer nur die Stars, die im Ski-Weltcup die großen Geschichten schreiben. Oft sind es die Underdogs, deren Storys unter die Haut gehen. Wie die eines amerikanischen Abfahrers, der in seinem Land ein heimlicher Held ist.

Um den amerikanischen Abfahrer Wiley Maple treffend zu beschreiben, könnte man diese Geschichte hier mit seinem kuriosen Comeback beginnen, das er drei Jahre nach dem verletzungsbedingten Karriereende und mit 33 Jahren hingelegt hat. Man könnte auch von den selbst gemalten Gemälden schreiben, die er verkauft, um das nötige Geld für seinen Ski-Traum aufzutreiben. Man könnte über die Dutzenden OP-Messer berichten, die sich im Laufe der Jahre unter seine Haut gebohrt haben – und das, obwohl nur die wenigsten Verletzungen mit dem Skirennfahren zu tun hatten. Oder aber man beschreibt einfach seine Anreise zum Weltcup in Gröden, denn das verdeutlicht ganz gut, aus welchem Holz Wiley Maple geschnitzt ist.


Von Aspen aus und über Denver flog der heute 34-Jährige nach München, wo nach einem guten Tag Reisezeit ein Leihauto bereitstand, das der Amerikaner mit den letzten Kraftreserven ins Grödnertal navigierte. Und das alles mit neun – ja, neun – Taschen im Gepäck, in denen Skier, Skischuhe, Präparierungsmaterial, Rennequipment und natürlich auch Unterhosen verstaut waren.

Wiley Maple in Aktion auf der Ski-Piste. © GETTY IMAGES NORTH AMERICA / SEAN M. HAFFEY


Schleppen und organisieren musste Maple das alles selbst, und bezahlen natürlich auch. Denn: Er ist ein Alleinkämpfer im Weltcup. Also einer, der in keiner Nationalmannschaft ist, der kaum vom Verband unterstützt wird, der keinen Servicemann hat, der „mit allen Problemen zurechtkommen muss“, wie er selbst sagt – und der seinen Traum dennoch in vollen Zügen lebt.
„Mein Rücken war völlig im Arsch.“ Wiley Maple

Wir treffen Maple beim Weltcup in Gröden, wo er die Punkteränge knapp verpasst hat. Aber: Dass uns der Ami im Interview überhaupt gegenübersteht, dass er wieder im Ski-Weltcup zu sehen ist, kommt einem kleinen Wunder gleich. Denn eigentlich hatte er seine Karriere schon Anfang 2020 für beendet erklärt. „Mein Rücken war völlig im Arsch“, sagt er mit der typisch amerikanischen Prägnanz. Dass Maple zu jenem Zeitpunkt schon bei 71 Weltcuprennen und bei Olympischen Spielen gestartet war, kann ebenfalls als wundersam betitelt werden.

Bänderriss bei Autounfall, Ellbogenluxation beim Joggen

Mehr als 20 Operationen musste sich der Amerikaner in seinem Leben schon unterziehen, auf Unfälle während Skirennen gehen aber lediglich ein paar Handbrüche zurück. Ein Mal kugelte er sich nach einem Sturz beim Joggen den Ellbogen aus, ein anderes Mal zog er sich bei einem Autounfall als Beifahrer Bänderrisse im Knöchel zu. „Mein Körper ist einfach anfällig“, schmunzelt Maple, dem am Ende eine chronische Rückenverletzung zum vorzeitigen Karriereende zwang.

Maple nahm auch an Olympischen Spielen teil. © AFP / KIRILL KUDRYAVTSEV


Oder zum vermeintlichen Karriereende. Denn nachdem Maple in sein neues Leben eingetaucht war, sein Philosophie-Studium abgeschlossen hatte und danach bemerkte, dass ein normaler Job noch nichts für ihn war, brachte ihm ein Ereignis den großen Traum zurück. Als Johan Clarey bei Olympia 2022 mit 41 Jahren zu Abfahrtssilber raste, war für Maple klar: „Das darf es für mich nicht gewesen sein.“

Er streicht Häuser und verkauft selbst gemalte Bilder

Und so nahm seine zweite Karriere wieder an Fahrt auf. Über FIS-Rennen arbeitete er sich in der Weltrangliste nach vorne und holte vor einem Jahr – bei der Abfahrt in Bormio – mit Platz 12 sein bestes Weltcupergebnis. Und das alles als unabhängiger Athlet, der vom Verband kaum unterstützt wird. Das ist für Maple aber ohnehin nichts Neues, immerhin verbrachte er die Hälfte seiner Karriere auf sich alleine gestellt.

Manchmal habe ihn eine Saison zwischen 50.000 und 70.000 Dollar gekostet, manchmal auch „nur“ 10.000 Dollar. „Je nachdem, wie viel Preisgelder und Sponsorengelder reingekommen sind.“ Um seinen Traum am Leben zu erhalten, veranstaltet Maple nicht nur jährlich eine Spendenaktion in Aspen, sondern nimmt auch selbst verschiedenste Jobs an. Mal hilft er beim Streichen von Häusern, mal fährt er Essen für ein Restaurant aus – und „heuer habe ich vor der Saison Fenster geputzt.“ Manchmal verkauft sich auch eines seiner Bilder, die der begnadete Künstler mit viel Passion anfertigt.

Und das alles, um auf den Weltcuppisten wie in Gröden, nun in Bormio oder in Kitzbühel bei Höchstgeschwindigkeiten runterzubrettern. Was einen Athleten wie Wiley Maple antreibt? Der Amerikaner denkt kurz nach, setzt dann ein verschmitztes Ami-Lächeln auf und sagt: „Ich will gewinnen.“

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