Ein wirres Knäuel als neues Logo

Natürlich, das möchte ich gleich mal voranstellen, ehe ich mich dem kommenden, sehr komplizierten, wenn nicht gar komplexen Thema widme: Über Geschmack lässt sich immer noch trefflich streiten. Und das wird wohl auch immer so bleiben, denn jede Sichtweise hat schließlich ihre eigene Dynamik. Und so schaue ich mit Interesse auf das neue Logo des österreichischen Ski-Verbandes (ÖSV). So hieß das früher. Heute &bdquo;Ski-Austria“. So wie &bdquo;Swiss-Ski“ bei den Schweizern, die zuletzt die Herrlichkeit im Wintersport, die dereinst nur Österreich für sich in Anspruch nehmen durfte, an sich gerissen haben. Im Biathlon bei den Männern etwa, wo die Schweizer sogar jetzt den fünften Platz in der Nationenwertung schafften und damit sechs Startplätze in der nächsten Saison erhalten.

Gut, das juckt jetzt in der Innsbrucker Zentrale des Verbandes niemanden. Biathlon ist eine Randsportart. Ist es im weißroten Selbstverständnis immer gewesen. Aber im &bdquo;Skifoan“, also im einzig richtigen Skisport, dem alpinen Schwung in der weißen Schneepracht, wurde man von den Eidgenossen an die Wand gefahren. Ein paar gute Resultate bei den Männern, vorwiegend im so heiß geliebten Abfahrtsbereich, blieben noch übrig. Aber bei den Damen herrscht Tristesse, wobei hinzukommt, dass gerade halt auch die Ära einer Mikaela Shiffrin aus den USA stattfindet. Dazu gibt es eine Petra Vilhova aus der Slowakei. Und die Italienerinnen sind auch nicht zu bremsen. Sogar eine deutsche Slalomläuferin (Lena Dürr) ist mittlerweile Weltklasse. Die weibliche Elite Österreichs schaut derweil nur verdutzt zu.

Raus aus der kleinen Welt Das musste natürlich ein Ende haben. Ein schnelles vor allem. Und weil das sportlich nicht von heute auf morgen geändert werden kann, hat die neue Führung des ÖSV – pardon &bdquo;Ski-Austria“ - erst mal am Auftritt gefeilt. Ein neues Logo soll dokumentieren, dass nun kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Dass es in Wien vorgestellt wurde, wo der Wintersport höchstens auf dem Semmering zu Hause ist, kann man als kleinen Fauxpas sehen, denn eigentlich ist ja die Tiroler Hauptstadt Innsbruck das Zentrum, das den Skisport wieder zu alter Größe erwecken soll. Aber, das sollte damit sicher auch dokumentiert werden, man will jetzt wirklich endlich raus aus der kleinen, engen Welt, die Jahrzehnte von Peter Schröcksnadel befehligt wurde. Ohne Zustimmung des ehemaligen Präsidenten konnte man im Verband seinerzeit nicht einmal Bleistifte oder Radiergummis bestellen. Und Sponsorenverträge der Athleten wurden selbstverständlich nur über die hauseigene Agentur abgeschlossen, um einen gewissen Geldrückfluss zu gewährleisten.

Roswitha Stadlober hat bei Ski Austria das Sagen. © APA / EXPA/JOHANN GRODER

Die Hausmacht von Schröcksnadel, seinem Generalsekretär Klaus Leistner und Sportchef Hans Pum, war unumstößlich. Jetzt sind alle in Rente und die neue Führungsspitze um Roswitha Stadlober will mit dem neuen Auftritt neue und gänzlich unterschiedliche Akzente setzen. Wie genau das funktionieren soll, geht zumindest aus dem neuen Logo nicht so direkt hervor. Es vermittelt eher den Eindruck einer ziemlich wirren Lage. Man könnte meinen, da habe jemand ein Fass mit roter Tinte ausgeschüttet. Es ist ein Klecks mit vielen Linien.

Es könnte auch eine Zeichnung sein, die irgendjemand aus einem Kindergarten geklaut hat. Oder auch die konfuse Kritzelei auf einem Bierdeckel nach schon ordentlichem Verbrauch der schäumenden Pracht im Glas. Gut, ein Blickfang ist es. Picasso hätte es gut zu Gesicht gestanden oder mehr noch Joan Miró, dessen frühen Werke, aufbauend auf der katalanischen Volkskunst, Einflüsse des Kubismus und Fauvismus aufweisen. WOW. Das ist dann mal ein Logo. Wenn man mehr davon auf ein Tuch drucken würde, könnte man schöne Vorhänge daraus machen. Ich hatte übrigens tatsächlich mal welche mit Miró-Muster. Die Idee dahinter erschließt sich mir allmählich. Die Konkurrenz wird erst mal geschockt sein, Fragen stellen, sich wundern und der österreichischen Wintersportführung vielleicht sogar eine mutige Herangehensweise an die Zukunft attestieren.

Vielen Linien, die sich kreuzen Allerdings muss man gehörig aufpassen, denn wenn man das neue Logo zu lange mit stieren Augen betrachtet, kann einem schon schwindelig werden mit all dem linearen Durcheinander, in dem man übrigens ein &bdquo;A“ erkennen soll, wie &bdquo;Austria“. Und die vielen Linien sollen, so die Erklärung, die verschiedenen Disziplinen sein, die bei &bdquo;Ski-Austria“ gebündelt werden und sich ergänzen und sogar überkreuzen. Irgendwann dann soll eine gewisse Ordnung erkennbar sein. Die Crux an der Sache freilich ist leicht auf einen Nenner gebracht: Niemand wird auf Anhieb diese Linien als Hinweis auf einen früher mal großen Wintersportverband erkennen. Ein Logo, das man erst einmal langatmig erklären muss, schafft mehr Verwirrung als eine klare Botschaft.

Der Präsentation wohnten Hunderte bei. © APA / GEORG HOCHMUTH

Ich stelle mir gerade vor, dass diese mit rotem Stift entworfene Idee, abgeleitet vielleicht sogar von einer Höhlenzeichnung, den künftigen Skianzug der Athleten ziert. Von links oben an den Schultern schräg über den Rücken hinunter bis zum Ansatz der Skischuhe. Da würde der Zebralook, den die deutschen Rennfahrer seit Menschengedenken über ihre gestählten Körper ziehen, zum langweiligen Strampelanzug werden. Österreichs neue Kleider wären Haute Couture. Auf jeden Fall wird jetzt augenscheinlich in Innsbruck, der winterlichen Schaltzentrale, kräftig entrümpelt. Aktivismus ist das Gebot der Stunde. Aufmerksamkeit soll generiert werden, um die Vergangenheit endlich in die Schubladen des Vergessens zu schütten. Das ist eine vielleicht verständliche, aber auch gefährliche Philosophie, denn die Erfolge aus der großen Zeit mit schillernden Persönlichkeiten sind im Grunde immer noch die Grundlage der Gegenwart und der Maßstab für die Zukunft.

Selbstversuch wünschenswert Vermutlich merkt man meinem heutigen Text tatsächlich an, dass ich sehr lange und sehr intensiv auf das neue Logo geschaut habe. Ich bitte dafür um Verständnis, muntere aber alle Leser gerne auch zum Selbstversuch auf mit anschließendem intensivem Nachdenken. Sie werden sich wundern.

Zum Autor: Sigi Heinrich

Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist und TV-Kommentator (u.a. Deutsche Fernsehpreis, Bayerischer Sportpreis, Biathlon-Award und World-Sports-Trophy) widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert gerne auch mal in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal bierernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für jeden etwas dabei sein.

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