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Ingrid Landmark Tandrevold bei der Biathlon-WM in Lenzerheide. © ANSA / GIAN EHRENZELLER

Tandrevold gegen den Teufelskreis – mit Südtiroler Hilfe

Ingrid Landmark Tandrevold ist bei der Biathlon-WM in Lenzerheide jüngst aufgrund einer Hass-Nachricht in den Fokus gerückt. Der Südtiroler Patrick Oberegger, der die norwegischen Damen seit 2018 als Cheftrainer begleitet, reagiert auf diesen Vorfall – und gibt einen Einblick in den bislang unglücklichen Saisonverlauf.

Aus der Biathlon Arena in Lenzerheide

Von:
Christoph Niederkofler

Manchmal muss man auch die Extrameile gehen. Ein Satz, den viele aus der Schulzeit oder dem Berufsleben kennen – und dabei vielleicht auch schon die Augen verdreht haben dürften. Doch manchmal bewirkt dieser zusätzliche Einsatz doch Wunder. Und einen solchen wird sich Ingrid Landmark Tandrevold erhoffen. Als sich der Schießstand in Lenzerheide allmählich leerte und sich der Großteil der Athletinnen bereits mit den Taschen auf dem Rücken auf den Heimweg machte, dachte die Norwegerin noch lange nicht ans Aufhören. Eine Runde folgte der anderen, ihre Patronen fanden schnell wie präzise ihr Ziel. Bei dieser Einheit wie immer an ihrer Seite – Cheftrainer Patrick Oberegger.


Als die viermalige Weltmeisterin schließlich genug hatte, führten Tandrevold und Oberegger ein ausführliches und intensives Gespräch. Über den Inhalt konnte man aus wenigen Metern Entfernung nur rätseln, immerhin unterhielten sich die beiden auf Norwegisch. Im Anschluss klärte Oberegger im Interview mit SportNews jedoch auf. „Wenn man eine Nacht darüber geschlafen hat, sieht man bestimmte Dinge vielleicht etwas anders, als man am Vortag analysiert oder selbst erlebt hat“, meinte der Südtiroler. Videos, Schussbilder, kleinere Anpassungen – die alltägliche Arbeit eben. „Man versucht, den vorherigen Tag abzuschließen und die Energie zu nutzen, um sich auf das nächste Rennen vorzubereiten.“

Hass gegen Tandrevold: „Dann passieren solche Sachen“

Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass Tandrevold dieser Tage nicht ohne Grund Sondereinheiten schiebt – sei es aufgrund sportlicher oder mentaler Motive. Beim Auftakt in der Mixed-Staffel erlebte sie nämlich einen rabenschwarzen Tag, verpasste Norwegen doch auch wegen ihrer beiden Strafrunden eine Medaille. Im Nachgang verdrückte Tandrevold einige Tränen und geriet wegen einer Hass-Nachricht in den sozialen Medien, in der sie übelst beleidigt wurde, in den Fokus.

Patrick Oberegger begleitet die norwegischen Damen seit 2018 als Cheftrainer. © dl


„Ich bin nicht in den sozialen Medien unterwegs und sage immer: Wenn jemand sein Leben mit der Öffentlichkeit teilt, muss man auf solche Vorfälle vorbereitet sein“, reagierte Oberegger auf den Vorfall. „Manche Leute schließen mittlerweile auch Wetten auf unseren Sport ab und verdienen ihr Geld damit. Und ich tippe, dass jemand Geld auf eine Medaille oder so gewettet hat – und dann eben nichts daraus wurde. Dann passieren solche Sachen.“ In solchen Situationen sei letztlich die richtige Perspektive gefragt. „Wichtig sind die Menschen, die einem nahe stehen. Dass man nicht allen sympathisch sein kann, ist nun mal so.“

Tandrevold will aus dem Teufelskreis raus

Doch auch vor der Weltmeisterschaft in Lenzerheide lief es für Tandrevold alles andere als nach Plan. Herzprobleme standen der Norwegerin, die in der vergangenen Saison die kleine Kristallkugel im Sprint erobert hatte, lange Zeit im Weg. Die Rückkehr an die Spitze erweist sich äußerst schwierig. „Wir mussten das Training in den Vordergrund stellen. In der Folge waren wir in diesem Winter immer einen Schritt zu spät“, so Oberegger. „Aber ich bin mir sicher, dass sich unser Einsatz bezahlt machen wird.“

Ingrid Landmark Tandrevold im Einsatz. © ANSA / GIAN EHRENZELLER


Nach den Dämpfern zu Beginn der Saison musste die Gesamtweltcupdritte des vergangenen Winters ihre Ziele neu formulieren. Mittlerweile sei sie auf einem guten Weg. „Ich denke, dass sie in einer guten Verfassung ist, aber es fehlen ihr einfach die Rennen und die Wettkampfhärte. Das sah man nun auch bei den beiden ersten Wettkämpfen“, führte Oberegger aus. „Aber Weltmeisterschaft und Saison sind noch lang, wir vergraben uns daher nicht.“

Oberegger: „Das ist unser Beruf“

Anschließend hob Oberegger, der trotz seines Daseins als Cheftrainer der Norwegerinnen seinen Mittelpunkt nach wie vor in Antholz hat, die mentale Komponente hervor. „Am Ende geht es darum, sein Leben zu meistern. So wie andere Menschen eine Familie haben und mit Herausforderungen zu kämpfen haben, gibt es solche Situationen auch für Sportler – nur eben in anderen Bereichen“, erläuterte er. „Das ist unser Beruf und jetzt gab es da eben einen gebrauchten Tag, so wie es viele Menschen auch außerhalb des Sports kennen.“

Angesichts dieser Herausforderungen greifen auch bei den norwegischen Skijägerinnen manche Athletinnen auf Mentaltrainer zurück – so auch Tandrevold. „Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber da geht es nicht nur um den Sport, sondern auch um private Sachen. Wie es auch bei 'normalen' Menschen der Fall ist, wenn im Leben mal etwas nicht so läuft“, so Oberegger. „Manchmal hilft es auch, mit Menschen zu reden, die nicht aus dem Sport kommen und eine andere Perspektive und etwas Distanz haben.“

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