Speakers Corner | Abschied

Auch der letzte Tag in Antholz beschert uns Emotionen. Besonders dann, wenn Dorothea Wierer nach dem letzten Schießen im Massenstart als Führende in die Schlussrunde geht. Diesmal aber kann sie den Vorsprung nicht halten, erobert aber hinter der überragenden Marte Olsbu Røiseland noch einmal Silber. Ganz anders die Gemütslage bei Lisa Vittozzi: Sie patzt am Schießstand in ungewohnter Weise (im zweiten Liegend-Anschlag trifft sie keine einzige Scheibe) und läuft dem Feld hinterher. Gibt aber nicht auf. Und das ist auch ihre Größe, die – als sie als Allerletzte dem Ziel zustrebt – vom fairen Publikum mit einem Riesenapplaus quittiert wird.

Apropos Marte Olsbu Røiseland: Die Norwegerin kann sich mit Fug und Recht als &bdquo;Königin von Antholz“ bezeichnen, und in jedem Interview betont sie auch ihre Bindung zu diesem wunderschönen Tal. Und darauf direkt angesprochen meint sie: &bdquo;Ja, es wäre eine gute Idee, sich hier ein Haus zu bauen.“

Johannes Thingnes Bø hatte den Sieg schon im Sack, da blickte er noch zurück auf den Endspurt um Platz drei, kämpfte da doch noch sein Bruder Tarjei um Edelmetall. Etwas enttäuscht musste dann Johannes erkennen, dass sein Bruder &bdquo;nur Blech“ geholt hatte, war dann aber einer der ersten Gratulanten beim drittplatzierten Emilien Jacquelin. Übrigens: Wieso der jüngere der Bø-Bruder den Zusatz &bdquo;Thingnes“ im Namen trägt und Tarjei nicht, das können selbst die norwegischen Trainer nicht erklären. Shipulin hört auf Einer, der in Antholz sehr oft erfolgreich war und heute seine Karriere beendet hat, ist Anton Shipulin. Auch er schaut am Schlusstag vorbei und unterhält sich im Pulk der ehemaligen Biathlon-Größen, die immer gerne einen Abstecher nach Südtirol machen. Dann kommt ein russischer Journalist daher und bezeichnet Shipulin als zweitwichtigsten Mann in Russland, gleich hinter Putin. Mitarbeiter punkten mit Höflichkeit Katharina aus Taisten hat in diesem Frühjahr die Matura am sozialwissenschaftlichen Gymnasium in Bruneck vor sich. Doch die letzten zwei Wochen hat sie sich da entschuldigt und hilft als Bedienung im VIP-Bereich mit. &bdquo;Ich wollte diese Erfahrung machen, Kontakte knüpfen, konkret den Umgang mit vielen Menschen aus verschiedenen Ländern pflegen“, sagt sie. Wie alle anderen Helfer in diesem Bereich punktet Katharina mit ihrer Höflichkeit, ihrem Lächeln und ihrer Geduld. Eigenschaften, die eigentlich jede Helferin und jeden Helfer in den grünblauen Jacken auszeichnet.

&bdquo;Ich schlage eine Petition vor, Weltmeisterschaften künftig nur mehr in Antholz auszutragen“, lächelt ein deutscher Journalist. Damit aber untermalt er die Begeisterung, die viele tausend Menschen beseelt, die Antholz 2020 zu einem denkwürdigen Ereignis werden ließ. Eine leise Träne Auch für mich wird es Zeit, meine Sachen zu packen und Abschied zu nehmen. Die letzten Worte sind gesprochen, man grüßt Kollegen und Freunde aus der Schweiz, aus Kanada, aus Bulgarien und Österreich. Und man spricht einen großen Dank aus, für tolle menschliche Begegnungen, für witzige Geschichten und verlorene Wetten – und ich merke, wie auch eine leise Träne in mir innerlich herunterkullert. Eine Träne der Trauer, dass alles vorbei ist – aber auch eine Träne der Freude, dass ich mittendrin sein durfte. Und gemäß dem Motto der ganzen WM kann ich getrost sagen, dass die Leidenschaft immer noch brennt.

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