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Italiens Biathlon-Boss Klaus Höllrigl hat dieser Tage viel zu tun. © Pierre TEYSSOT

Material, Druck, Medaillen: So erlebt Italiens Biathlon-Boss die WM

Die erste Woche bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Nove Mesto ist rum, fünf von zwölf Titelentscheidungen sind gefällt. Wir haben deshalb Klaus Höllrigl, Italiens ranghöchsten Biathlonfunktionär, um eine Zwischenbilanz gebeten.

Aus Nove Mesto na Morave

Von:
Alexander Foppa

Mit den Wetterkapriolen, unbeantworteten Materialfragen, der norwegisch-französischen Dominanz, aber auch mit Lisa Vittozzis Medaillengewinn am Sonntag, hat die Biathlon-WM in Nove Mesto bislang reichlich Gesprächsstoff geliefert. SportNews ist diese Themen mit Höllrigl im großen Halbzeit-Gespräch durchgegangen.



Mit welchem Gefühl haben Sie am Sonntagabend die WM-Arena verlassen?

Klaus Höllrigl: „Mit einem schönen Gefühl. Ich muss zugeben, ich war richtig erleichtert. Die Silbermedaille von Lisa Vittozzi nimmt sehr viel Druck vom ganzen Team.“


Dennoch dürfte Ihr Zwischenfazit nicht ausschließlich positiv ausfallen.

„Sagen wir so: Grundsätzlich ist die Zwischenbilanz gut. Wenn man tiefer in die Analyse geht, muss man sagen, dass die Mixed-Staffel völlig daneben gegangen ist. In den beiden Sprints hatten wir noch etwas Schwierigkeiten mit dem Material, doch die Athleten haben einen deutlichen Aufwärtstrend erkennen lassen. Dieser gipfelte dann in Vittozzis Medaillengewinn. Jetzt gilt es den Schwung in die zweite WM-Woche mitzunehmen.“


Sie sprechen das Material an. Wie schwierig ist es, wenn man als Rennsportleiter versucht, sportlich alle Weichen zu legen, man dann aber erkennt, dass die Skier nicht mitspielen?

„Ich nehme das als Teil dieses Sport. Im Biathlon spielt das Material eben eine große Rolle. Ich will an dieser Stelle aber auch mal eine Lanze brechen für unsere Skimänner, sie machen einen ausgezeichneten Job. Wir hatten anfangs große Schwierigkeiten, binnen weniger Tage konnten sie diese aber weitestgehend beheben. Das Material-Thema zieht sich bereits durch die ganze Saison und betrifft alle Nationen. Wir hatten in Ruhpolding ausgesprochen schnelle Skier, jetzt sind es die Franzosen, die gut in die Rennwoche gestartet sind. Ich habe aber festgestellt, dass wir bei Regen beinahe auf einem Level mit ihnen laufen. Und es soll bei dieser WM ja regnerisch bleiben.“

Klaus Höllrigl im SportNews-Gespräch. © Pierre TEYSSOT



Zurück zum Sportlichen: Welche Azzurri konnten Sie bislang überzeugen, welche weniger?

„Lisa Vittozzi hat gut auf die anfänglichen Rückschläge reagiert. Luki Hofer zeigt unheimlich starke Leistungen, nicht nur am Schießstand. Der Sprint von Doro Wierer war super. Didier Bionaz und Tommy Giacomel hatten beim Schießen Probleme. Allerdings haben alle durch die Bank läuferisch zugelegt in den letzten Tagen, das stimmt mich sehr zuversichtlich.“


Vittozzi, Giacomel oder auch Bionaz wirkten nach den ersten Rennen niedergeschlagen. Waren Sie da mehr als Mentaltrainer, denn als Rennsportleiter gefragt?

„Grundsätzlich ist eine WM ganz etwas anderes als eine Weltcupetappe. Steckst du ein Rennen in den Sand, ist diese Medaillenchance dahin. Und am Ende wird man eben an Medaillen gemessen. Außerdem bist du zwei Wochen lang auf sehr engem Raum, lebst Erfolge und Misserfolge noch intensiver. Wir versuchen das auszugleichen, in dem wir die Rennen gründlich, aber ganz rasch analysieren und abhaken – egal ob sie gut oder schlecht gelaufen sind. Dadurch soll der Fokus immer auf dem nächsten Einsatz liegen, die mentale Frische aufrecht bleiben. Viele Höhen und Tiefen rauben unnötig Energie, das gilt es auszugleichen. Diese Linie haben wir den Athleten vor WM-Beginn auch so erklärt.“

„Wir können ab jetzt in jedem Rennen aufs Podium laufen.“ Biathlon-Rennsportleiter Klaus Höllrigl


Dann werfen auch wir den Blick auf die nächsten Rennen: In welchen Bewerben rechnen Sie sich die größten Erfolgschancen aus?

„Wir können ab jetzt in jedem Rennen gute Platzierungen einfahren, in jedem Rennen aufs Podium laufen. Bei den Frauen sind die Chancen vielleicht etwas höher, aber auch die Männer sind grundsätzlich immer für eine Medaille gut. Wir sind nicht in der Favoritenrolle, aber wir wollen dann zur Stelle sein, wenn sich irgendwo eine Tür in die Top-3 auftut. Im Weltcup haben wir diese Möglichkeit das ein oder andere Mal nicht genutzt. Bei der WM müssen wir zuschlagen, sobald sich die Chance ergibt.“


Vergangenes Jahr fuhr Italien mit vier Medaillen von der WM in Oberhof heim, zuvor ging man in Pokljuka völlig leer aus. Wie viele Medaillen müssen es in Nove Mesto werden, damit der Teamchef zufrieden ist?

„Ich habe im Vorfeld ganz klar gesagt: Ohne ein einziges Edelmetall abreisen zu müssen, wäre eine riesengroße Enttäuschung. Das Minimalziel wurde mit Lisas Silberner bereits erreicht, alles was jetzt kommt, ist Zugabe. Ab diesem Zeitpunkt messe ich mich und mein Team nicht mehr an Medaillen, sondern vielmehr daran, ob wir die vorhin angesprochenen Chancen nutzen. Das ist für mich bei der sportlichen Analyse ausschlaggebend und prägt dementsprechend dann auch unsere Endbilanz.“


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