Gaia Brunello am Schießstand: Die junge Biathletin ist ein Talent. © Paul Teissl
Kurioser Wechsel: Südtiroler Biathletin startet für Brasilien
Eine Südtirolerin, die für Brasilien an den Start geht: Was verrückt klingt, wird dieser Tage tatsächlich wahr. Gaia Brunello, ein 22-jähriges Biathlon-Talent aus Gröden, hat uns ihre einzigartige Geschichte erzählt.
18. Dezember 2024
Von:
Thomas Debelyak
Wofür ist Brasilien eigentlich alles bekannt? Wir tippen diese Frage mal ganz flapsig in unser neuestes Helfer-Tool ChatGPT ein und lassen uns eine Liste ausspucken. Die Antworten: Brasilien steht für den Karneval in Rio de Janeiro, den kultigen Tanzstil Samba, die erfolgreiche Fußballnationalmannschaft – und natürlich für die Copacabana, also den weltberühmten Strand. Ganz zufrieden sind wir mit dem Ergebnis aber noch nicht, und deshalb haken wir nach: Wie sieht es denn mit Biathlon aus? Wenig verwunderlich blinkt am Bildschirm auf: „Dieser Sport ist wegen des subtropischen Klimas kaum verbreitet.“
Trotzdem gibt es im Biathlon-Zirkus einige wenige brasilianische Skijäger und Skijägerinnen, die sich auf Schießständen und Loipen in den kalten Wintersportregionen dieser Welt versuchen. Gaia Brunello ist ab sofort eine von ihnen. Die 22-Jährige stammt aus St. Ulrich in Gröden, wuchs hierzulande auf, stand schon im Südtiroler Biathlon-Landeskader, wurde im vergangenen März sogar Staffel-Italienmeisterin in der U22-Kategorie – und startet ab dieser Saison tatsächlich für Brasilien. „Es ist schon ein bisschen lustig“, sagt Brunello im Gespräch mit SportNews. „Früher haben meine Freunde genau das immer als Witz gesagt, jetzt ist es Realität.“
Eine Grödnerin, die für Brasilien im Biathlon-Zirkus startet: Gaia Brunello. © Michael Mair am Tinkhof
Wie aber kommt es, dass ein Grödner Biathlon-Talent für das tausende Kilometer entfernte Brasilien in die Loipe geht? Gaia erzählt ihre Geschichte: „Meine brasilianischen Wurzeln habe ich von meiner Mama Aurea. Sie stammt aus Salvador de Bahia (das ist die drittgrößte Stadt Brasiliens, Anm. d. Red.). Aus Studiengründen kam sie vor vielen Jahren nach Europa und fand in Gröden eine Arbeit. Dort lernte sie meinen Papa Fabio kennen.“
„Das Beispiel Lucas Braathen hat mich sehr motiviert.“ Gaia Brunello
Heute führt die Familie den Gasthof Brunello in St. Ulrich, in dem auch Tochter Gaia tatkräftig mit anpackt. Doch ihre große Leidenschaft ist schon von klein auf das Biathlon. Die junge Ladinerin war Teil des Südtiroler Landeskaders und hat in den vergangenen Jahren Wettkämpfe im internationalen IBU Junior Cup bestritten. Allerdings blieb ihr der Sprung in die Nationalmannschaft oder in eine Sportgruppe verwehrt. „Mir wurde klar, dass ein Wechsel nach Brasilien nicht nur eine Möglichkeit war – es war die einzige Möglichkeit, um weiterhin das zu tun, was ich liebe.“ Und das ist Biathlon.
Biathlon in Brasilien – wie geht das?
In den vergangenen Monaten verfolgte Brunello den Werdegang von Ski-Star Lucas Braathen genauestens. Auch der Norweger hat sich nach einem Jahr Pause dafür entschieden, für das Heimatland seiner Mutter und somit Brasilien zu starten. „Das hat mich sehr motiviert“, erklärt Gaia, die bereits in den vergangenen Jahren Freundschaft mit den brasilianischen Biathlon-Exoten knüpfen konnte. „Über einen Trainer ist dann der Kontakt mit dem brasilianischen Skiverband zustande gekommen. Der war von einer Zusammenarbeit begeistert. Vom Verband, aber auch von der IBU (Biathlon-Weltverband, Anm. d. Red.) bekomme ich jetzt finanzielle Unterstützung. Ich bin dankbar dafür, so gut aufgenommen worden zu sein“, so Brunello.Kurios: In Brasiliens Team ist die junge Grödnerin die Exotin. „Die Mannschaft besteht aus sieben, acht Biathleten, die allesamt waschechte Brasilianer sind. Die meisten sind noch sehr jung“, erklärt Gaia und ergänzt: „Eine Biathlon-Anlage gibt’s in Brasilien nicht, dafür aber eine flotte Rollerskibahn. Geschossen wird da im Training mit Lasergeräten.“
Brunello mag vor allem die Mentalität und das Essen aus Brasilien.
Brunello selbst hat einen engen Bezug zu Brasilien. „Wir waren schon sehr oft in der Heimat meiner Mutter und haben unsere Verwandten besucht. Mir gefällt die Mentalität der Brasilianer: Sie sehen alles positiv und leben jeden Tag so, als wäre es der Letzte.“ Im Hause Brunello weht ohnehin ein brasilianischer Wind. „Meine Mama kocht gerne typische Gerichte aus ihrer Heimat, aber auch mein Papa ist Koch. Da wird manchmal gestritten, ob brasilianische oder italienische Kost auf den Tisch kommt“, schmunzelt Gaia, die Brasiliens Landessprache Portugiesisch perfekt beherrscht.
In dieser Woche steht für Gaia Brunello ein großer Auftritt an. In Obertilliach (Osttirol) geht eine Etappe des IBU-Cups – also der zweithöchsten Rennserie im Biathlon – über die Bühne. Die junge Südtirol-Brasilianerin wird dabei erstmals für ihre neue Nation starten. „Mein Traumziel für dieses Jahr wäre es, mich für den Weltcup in Antholz zu qualifizieren. Und dann…“, ergänzt die Frohnatur, „möchte ich zu den Olympischen Spielen 2026. Als Brasilianerin bei Olympia in Antholz zu starten, das wäre ein Traum.“ Bei Antholz müssen wir natürlich nicht mehr ChatGPT um eine Antwort fragen, denn jeder in Südtirol weiß: Das ist der wohl berühmteste Biathlon-Ort der Welt.
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