Biathlet Pidruchnyi klagt Fourcade an

Sie sind diesmal fast eine Verhöhnung. Die Schneeflocken, die jetzt noch einmal vom Himmel tanzen und sich wie eine weiße, unschuldige Decke über das Grauen dieser Welt legen. Es ist Krieg. Mitten in Europa. Ist er schon angekommen außerhalb der Ukraine?

Wenn das Auto mal freigeschaufelt ist und der Straßendienst seinen Dienst absolviert hat, hat man endlich die Möglichkeit, einzukaufen. Und die Tüten und Taschen werden gefüllt. Die Kühlschränke platzen zuhause aus allen Nähten. Wohin bloß mit all dem Toilettenpapier? Hamsterkäufe sind wieder in Mode gekommen. Es ist dann eben doch eine unterschwellig vorhandene Angst, die die Menschen beschäftigt und sie zumindest für ein paar kurze Augenblicke zum Nachdenken zwingt. Ja, es ist Krieg. In Südtirol merkt man davon natürlich nicht allzu viel und man wird hier wohl auch abgelenkt, weil seit fast zwei Wochen nicht mehr regiert, sondern nur noch intrigiert wird. Was wäre man froh, wenn es in der Ukraine auch nur solch sinnverstellende Scharmützel gäbe, die vornehmlich von Egoisten befeuert werden, die politische Karriere machen wollen.

Aber dort gibt es Butscha, einen Vorort von Kiew, der Kriegsverbrechen Russlands offenbart. Und es gibt keine Schneefälle, die gnädig wenigstens für einen Moment die Leichen zudecken könnten. Das Wort &bdquo;Grauen“ hat jetzt ein Bild bekommen. Ja, so ist Krieg und er wird über lange Zeit Unversöhnlichkeit und Feindschaft in jedweder Hinsicht hinterlassen. Die Langzeitwirkung der russischen Aggression, einem Angriff auf ein Land, das auch unsere Freiheit jetzt verteidigen muss mit dem Leben seiner Menschen, ist nicht zu verhindern. &bdquo;Martin und Simon, fahrt zur Hölle“ Vor Tschernobyl hat Dmytro Pidruchnyi, Verfolgungsweltmeister im Biathlon 2019 in Östersund, Position bezogen in voller Kampfmontur. Und diesmal ist es kein Kleinkalibergewehr, das er in den Händen hält. Er muss, wie viele seiner Kameraden, auch damit rechnen, im Kampf zu fallen. Es ist gänzlich unvorstellbar, dass er jemals wieder mit französischen Biathleten einen Wettkampf bestreiten wird. Pidruchnyi nämlich ist zutiefst verletzt in seiner Seele von einer Aktion des Bruders von Martin Fourcade. Simon hatte bei der Junioren-Weltmeisterschaft in den USA für einen Skandal gesorgt, der nicht sonderlich öffentlich gemacht worden war. Die Organisation hatte aus Solidarität zur Ukraine beschlossen, sämtliche Russland-Flaggen zu entfernen. Daraufhin zerschnitt Simon Fourcade eine französische Flagge, ordnete die Nationalfarben blau, weiß und rot so an, dass eine russische Flagge entstand und klebte diese dann an eine Wachskabine, die vom russischen Serviceteam genutzt wurde. &bdquo;Es war“, so verteidigte der Juniorentrainer Frankeichs diese Aktion, &bdquo;kein politscher Akt, sondern ein menschlicher.“ Er lehne Sanktionen gegen russische Sportler ab, führte er an. Dmytro Pidruchnyi als aktiver Biathlet im Einsatz. Jetzt befindet er sich im Krieg. © AFP / JOE KLAMAR

Die Antwort darauf von Pydruchnyi auf Instagram gebe ich im Wortlaut wieder: &bdquo;Zuerst. Martin und Simon, fahrt zur Hölle. Ich hoffe, dass Eure Kinder niemals den Schmerz spüren werden, den ukrainische Kinder erfahren haben. Kinder, die ihre Häuser verlassen haben, die Explosionsgeräusche gehört haben, die gesehen haben, wie ihre Mutter vergewaltigt und ihre Angehörigen getötet wurden.“ Und weiter: &bdquo;Für mich bedeutet das Schweigen der russischen und belarussischen Athleten, dass sie sich entschieden haben, den Krieg zu unterstützen. Ich bedaure überhaupt nicht, dass sie bei keinem internationalen Wettbewerb anwesend sein werden, weil ich glaube, dass das gesamte Volk von Russland und Weißrussland für diejenigen verantwortlich sind, die sie gewählt haben und denen sie die Verbrechen vergeben haben.“ Und der 30-Jährige führte noch an, dass man nicht sagen könne, dass der Sport außerhalb der Politik sei. &bdquo;Wenn viele Sportler mit dem &bdquo;Z“ auf ihrer Kleidung bei einem Konzert zur Unterstützung des Krieges in Moskau waren? Sind sie so unschuldig und leiden wegen der Regierung.?“

Der Graben ist tief und wird noch Generationen von Athleten und Athletinnen beschäftigen, wie alle Kriege dieser Welt, die noch immer nachwirken. Egal, wo wir uns gerade befinden: Es gibt überall Beispiele, die klar machen, dass es eben nicht so schnell möglich sein wird, Gras über die begangenen Verbrechen an einem Volk wachsen zu lassen. Oder zu warten, bis uns eine weiße, flauschige Schneedecke für einen Moment einen Frieden vorgaukelt, den es nicht gibt. Ich selbst bin in der Vergangenheit zweimal von russischen Funktionären und sogar Kollegen angegriffen worden, weil ich zweimal die Wahrheit gesagt habe. Auch über Dopingfälle in Russland. Zweimal wurden meine Kommentare von Anwälten überprüft, zweimal stellte sich heraus, dass ich ausschließlich klare Sachverhalte wiedergegeben hatte. Dabei hat man mich zweimal körperlich bedrängt. Diese Erinnerungen drängen jetzt wieder an die Oberfläche, auch wenn das im Grunde Kleinigkeiten waren, die man aushalten kann und in unserer Branche manchmal auch aushalten muss. Nicht aushalten kann man jedoch die Verbrechen in Butscha, das mörderische Wüten russischer Soldaten gegen Unschuldige. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass Sportler aus den kriegsführenden Nationen in den nächsten Jahren Biathlon betreiben werden mit einem Gewehr auf dem Rücken vor den Augen der Öffentlichkeit. Jeder Schuss auf die Scheiben wäre ein Schuss gegen die Menschlichkeit.

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Biathlet Pidruchnyi klagt Fourcade an

Nach einer prorussischen Aktion von Simon Fourcade bei der Junioren-Weltmeisterschaft im Biathlon in den USA meldet sich der ukrainische Weltmeister Dmytro Pidruchnyi jetzt zu Wort und greift in scharfen und klaren Worten seinen ehemaligen Kontrahenten an.

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