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Jannik Sinner muss drei Monate pausieren. © APA/afp / DAVID GRAY

Von wegen Extrawurst: So lief die Sinner-Causa wirklich

Die Sperre für Jannik Sinner lässt die Wogen hochgehen. Diejenigen, die den Sextner für unschuldig halten, empfinden sie als überzogen. Diejenigen, die Sinner für schuldig befinden, sind der Meinung, er habe eine Sonderbehandlung erhalten. Wir erklären, warum alles seinen geregelten Lauf genommen hat.

Von:
Leo Holzknecht

Die erste wichtige Prämisse ergibt sich aus dem Urteil der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA): „Die WADA erkennt an, dass Sinner nicht die Absicht hatte, zu betrügen, dass das Clostebol keinen leistungssteigernden Nutzen hatte und ohne sein Wissen aufgrund der Fahrlässigkeit von Mitgliedern seines Teams in seinen Körper gelangt ist. Nach dem Kodex und der Rechtsprechung des CAS haftet ein Sportler jedoch für die Fahrlässigkeit seines Umfelds.“ Sinner hat also nicht gedopt und wurde auch nicht wegen Dopings, sondern wegen des fahrlässigen Handelns seines Teams gesperrt.


Viele fragen sich nun: Warum kommt es in einem solchen Fall zu einem Vergleich und nicht zu einer einseitigen Verurteilung? Dieser Punkt ist im Kapitel 10.8.2 des WADA-Kodex verankert. Darin steht, dass eine Sperre reduziert werden kann, wenn ein Athlet einen Verstoß gegen den Kodex eingesteht. In Sinners Fall betrifft das, wie im oben angeführten Urteil beschrieben, die Fahrlässigkeit seines Teams. „Ich habe immer akzeptiert, dass ich für mein Team verantwortlich bin und weiß, dass die strengen Regeln der WADA ein wichtiger Schutz für den Sport sind, den ich liebe“, sagte Sinner in einer Erklärung.

Darum ist die WADA zufrieden

Doch wie kam es überhaupt zu diesem Vergleich, nachdem die WADA im September noch von einer Sperre von ein bis zwei Jahren sprach, als sie den Freispruch der International Tennis Integrity Agency (ITIA) angefochten hat? Kenner der Szene sind sich einig: Die WADA hat in den letzten Monaten erkannt, dass die Aussicht auf Erfolg gering war. Zumal auch sie die Fakten anerkannte, wonach Sinner weder gedopt war noch einen Vorteil hatte. Die Chance, dass der Internationale Sportgerichtshof CAS Sinner vollständig freisprechen würde, war gegeben. Die WADA riskierte also einen Gesichtsverlust, zumal sie noch nie zuvor ein Urteil der ITIA angefochten hatte.

Ein weiterer Punkt: Nach erneuter Prüfung der Fakten hielt die WADA eine einjährige Sperre für übermäßig lang, sagte der Sprecher der Organisation, James Fitzgerald, gegenüber La Stampa.

Jannik Sinner hat schwere Zeiten hinter sich. © APA/afp / ADRIAN DENNIS


Aufgrund dessen dürfte die WADA Sinner nun dieses „Angebot“ gemacht haben, wie der Südtiroler es in seiner Erklärung nennt. Warum hat der 23-Jährige dieses akzeptiert? Nun: Seit fast einem Jahr lebte und spielte er mit der dunklen Wolke über seinem Kopf – unwissend, ob oder wie lange er aus dem Verkehr gezogen wird. Der Wunsch, endlich mit diesem Kapitel abzuschließen, war bei Sinner groß. Auch wenn die Anhörung beim CAS mit einem Freispruch hätte enden können, war das Risiko hoch. Eine Entscheidung wäre zudem wohl erst im September gefallen.

Darum hat Sinner eingewilligt

Noch eine ganze Saison mit dieser Ungewissheit zu spielen, hätte auch der mental so starke Sinner kaum verkraftet. Der Zeitpunkt der Sperre kam ihm zudem „gelegen“, weshalb er sich für das kleinere Übel entschied. Wobei: Sinner verliert dennoch 1600 Punkte und muss einen finanziellen Schaden in Millionenhöhe hinnehmen. Die WADA hat mit der dreimonatigen Sperre unterdessen einen symbolischen Sieg eingefahren.

Auch Iga Swiatek war in einen Dopingfall verwickelt. © ANSA / ALI HAIDER


Ein weiterer Punkt, den viele Sinner-Gegner nicht verstehen oder nicht verstehen wollen: Warum wurde der Sextner nach den positiven Tests nicht provisorisch suspendiert? Warum kam der Fall erst nach vielen Monaten an die Öffentlichkeit. Einfach: Wie Iga Swiatek konnte der Weltranglisten-Erste innerhalb von zehn Tagen glaubhaft darstellen, wie das Clostebol in seinen Körper gelangt ist. Eine Sonderbehandlung gab es also nicht. Was jedoch stimmt: Aufgrund seiner finanziellen Mitteln kann sich Sinner – genauso wie Swiatek – die besten Spezialisten leisten. Das ist der Grund, warum die Quelle der Kontamination so schnell gefunden wurde. Das gleiche gilt für die Anwälte. Weniger hochklassierte Spieler verfügen nicht über diese (hart erarbeiteten) Mittel. Dennoch hat Sinner keine Regeln umgangen oder gar gebrochen.

Keine Bevorzugung

Abschließend lässt sich festhalten, dass der Prozess, der zu diesem Urteil geführt hat, den vorgeschriebenen Lauf genommen hat. Vergleiche mit anderen Fällen, wie etwa mit jenem von Simona Halep, sind an den Haaren herbeigezogen, da die Sachlage eine komplett andere ist. Dass Sinner nicht bevorteilt wurde, ist nach Analyse des Falles also nicht von der Hand zu weisen. Im Vergleich zu Tennisspieler Marco Bortolotti, der ebenfalls positiv auf Clostebol getestet und von der ITIA freigesprochen wurde, hat es den Sextner sogar härter erwischt. Die WADA reiche bei Bortolotti nämlich keinen Einspruch ein.

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