Sigi´s Spitzen: Djokos Krokodil ist noch nicht satt

Das Krokodil auf dem Hemd von Novak Djokovic riss schon wenige Minuten nach seinem historischen Sieg das Maul ganz weit auf und schnappte nach einem neuen Logo, das sich viel größer und sichtbarer sogar noch breit machte. Es war eine Zahl in bunten Farben. 23. Der Serbe und sein Umfeld waren demnach vorbereitet auf den großen Tag. Vermutlich waren weder Nadel noch Faden dafür notwendig. Ein wenig Klebstoff vielleicht. Später könnte man das ja dauerhaft fixieren.

Aber wer weiß, vielleicht müssen die Nähte dann noch einmal oder mehrmals aufgetrennt werden, denn obwohl Djokovic schon 36 alt ist, hinterließ er nicht den Eindruck eines müden Gesellen auf dem Sand von Paris. Es muss ja nicht bei diesen 23 Grand-Slam-Siegen bleiben. Wer weiß. Auf jeden Fall ist er jetzt nicht nur der erfolgreichste Tennisspieler aller Zeiten, sondern auch wieder die aktuelle Nummer eins der Welt.

So selbstverständlich und automatisch geht das ja im Tennis nicht einher, weil man immer Erfolge der Vergangenheit verteidigen muss. Die nachstürmende Generation jedenfalls muss sich augenscheinlich noch etwas in Geduld üben. Djokovic lässt sie bravourös an seiner Klasse abprallen. Dazu kommt, was die Jungen zwangsläufig nicht haben: Ein gewaltiges Reservoir an Erfahrung. Also wundern wir uns nicht, wenn aus der 23 eines Tages auch noch eine 24 oder gar 25 dem Krokodil Konkurrenz machen wird. Und wer weiß, wie lange diese Rekordzahl dann Bestand haben wird.

Novak Djokovic (links) und Casper Ruud (rechts). © APA/afp / EMMANUEL DUNAND

Zahlen sind ständige Wegbegleiter im Sport, um dem Unfassbaren an großen Leistungen irgendwie eine begreifbare Größe zu geben. Einen Anhaltspunkt wenigstens. Dazu wird dann gerne die &bdquo;Schallmauer“ zitiert. Ein Wert, der uns ansatzweise helfen soll, zu begreifen, in welch abgehobenen Bereichen sich der Leistungssport befindet. Beim Marathon zum Beispiel. Zwei Stunden für 42,195 Kilometer. Die Marke wurde geknackt von Eliud Kipchoge bei einem Rennen unter sogenannten Laborbedingungen mit 1:59:40,2 Stunden auf der Prater Hauptallee 2019 in Wien.

Oder 10,0 Sekunden. Für 100 Meter. Armin Hary kennt jeder Sportfan, weil er 1958 diese Strecke als erster Sprinter in genau 10 Sekunden absolvierte. Der erste, der sie unterbot, Jim Hines aus den USA, starb im Juni im Alter von 76 Jahren. Seine 9,95 Sekunden, gelaufen in Mexiko-Stadt bei den Olympischen Spielen 1968 hielten als Weltrekord 15 Jahre. Mittlerweile hat Usain Bolt (Jamaika), diese Marke auf 9,58 Sekunden verbessert. Das war 2009 bei den Weltmeisterschaften in Berlin. Übrigens mit einem offenen Schnürsenkel an einem seiner Schuhe. 14 Jahre ist das jetzt her. Und es scheint, als würde dieser Rekord noch viele Jahre Bestand haben.

Usain Bold (rechts): Ein internationaler Superstar über den Leichtathletik-Sport hinaus. © APA/afp / NICOLAS ASFOURI

Ähnlich wie vielleicht der ehemalige Deutsche Rekord im Zehnkampf von Jürgen Hingsen. Er sammelte 1984 exakt 8832 Punkte. Erst vor wenigen Tagen hat Leo Neugebauer vier Punkte mehr bei den College-Meisterschaften in Austin (Texas) erzielt. Fast auf den Tag genau 39 Jahre später. Sie merken schon: Es ist vor allem die Leichtathletik, die auch unsereiner als Kommentator dieser Sportart den Kopf schwirren lässt. Persönliche Bestleistungen, Weltjahresbestleistungen, Weltrekorde, Meetingrekorde. Dabei ist es wie überall gefährlich, sich ausschließlich von Zahlen und Ergebnissen verführen zu lassen, denn hinter all diesen schier überquellenden Resultaten steht immer auch ein außergewöhnlicher Akteur.

Aber es sind eben jene wie Djokovic, die sich einbrennen in unser Sportgedächtnis, weil sie über einen langen Zeitraum die Konkurrenz beherrschen. Wie etwa Ole-Einar Björndalen. Der Biathlet aus Norwegen hat es in seiner Karriere von 1992 bis 2018 auf 94 Siege gebracht. Oder Mikaela Shiffrin, die mittlerweile 88 Weltcuperfolge aufweisen kann. Die &bdquo;Schallmauerzahl“ von 100 scheint in diesem Fall kein Fabelwert mehr zu sein, zumal sie erst 28 Jahre alt ist.

Auch Mikaela Shiffrin schielt auf einen historischen Rekord. © APA/afp / CHARLY TRIBALLEAU

Man mag das Zugeständnis machen, dass es im Winter sicher einfacher ist, Siege zu holen, weil jede Woche ein Rennen stattfindet. Aber selbstverständlich ist das natürlich auch nicht und es mindert in keiner Weise die Außergewöhnlichkeit und die Besonderheit der jeweiligen Protagonisten. Auch der FC Bayern München hat es schon auf 33 Meistertitel gebracht, davon jetzt 11 in Folge.

Es ist natürlich alles schwer oder unmöglich zu vergleichen. Shiffrin nicht mit Djokovic, Kipchoge nicht mit Armin Hary. Aber es liegt in unserer Natur, mit Hilfe der Zahlen den Wert der Erfolge zu verstehen. Bestimmte Ziffern bereiten hingegen gar Unbehagen. Niemand trägt gerne die Startnummer 13 und an einem Freitag, den 13. vermeidet man wenn möglich Wettkämpfe.

Dabei ist diese Zahl sogar eine Glückszahl in manchen Kulturen. Die Mayas in Lateinamerika kannten 13 Himmel. Und in der jüdischen Tradition ist die 13 auch eine Glückszahl. Und Jim Knopf und die Wilde 13 ist ja nun wirklich Lummerland pur. In Spanien hingegen ist Dienstag der 13. unbeliebt und in Italien ist es Freitag der 17. In Serbien freilich gilt ab heute vermutlich die 23 als Wunschzahl. Und es ist auch eine wirklich schöne Zahl. Frag nach in Deutschland im hohen Norden, denn der THW Kiel ist an diesem Wochenende wieder mal Deutscher Meister im Handball geworden. Zum 23. Mal.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist und Eurosport-Kommentator (u.a Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Sportpreis, Biathlon-Award und World-Sports-Trophy) widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert gerne auch in fremden Gefilden des normalen Alltags. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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Sigi´s Spitzen: Djokos Krokodil ist noch nicht satt

Wieder ist im Sport eine Marke gefallen, die lange schier unerreichbar zu sein schien. Novak Djokovic hat die 22 Grand-Slam-Titel des Spaniers Raphael Nadal mit seinem Sieg bei den French-Open übertrumpft.

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