Sigis Spitzen | Der Sport bleibt auf der Strecke

Sie müssen ja fast alle Marathonläufer sein, die Politiker jedweder Farbgebung. Beinahe täglich sind sie gefordert. Im Wahlkampf auf der Straße, in Talksendungen in allen unterschiedlichen TV-Kanälen und natürlich auch vor ihren Mitgliedern in den Parteiversammlungen. Eine gewisse, allgemeine Fitness schadet da keinesfalls. Es ist gut, dass dies auch zu sehen ist. Niemand aus der politischen Szene plagt sich mit mächtig Übergewicht herum. Gesundes Führungspersonal kann ja auch nicht schaden, wenn man das Land wieder auf die Beine stellen will. Vielleicht sogar sportlich, denn auch diesbezüglich ist es seit der Wende in Deutschland eher ständig bergab gegangen. So wenig Medaillen wie zuletzt bei den Olympischen Spielen in Paris gab es noch nie. Insgesamt vier weniger als drei Jahre zuvor in Tokio. Platz zehn im berüchtigten Medaillenspiegel, der für viele das Maß der Dinge ist. Immerhin war der damals amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz sogar in Paris. Er traf die Rennsportkanuten. Aber die wollten mit ihm nicht reden. Sie wünschten sich, nicht nur an besonderen Tagen besucht zu werden und grundsätzlich auch mehr Aufmerksamkeit und vor allem Reformen. Dauerhafte Spitzenleistungen lassen sich nämlich nur erzielen, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen. Und an denen hapert es. Und zwar gewaltig. Die finanzielle Ausstattung für den Spitzensport ist gelinde gesagt stark verbesserungsfähig. Aber das ist nur eine Seite, die in Schieflage geraten ist, um den Ansprüchen, die auch die Politik an den Sport hat, gerecht zu werden. Infrastruktur, Trainerausbildung und Bezahlung der Übungsleiter. All das lässt zu wünschen übrig. Dazu beklagen die Aktiven vielfach mangelnde gesellschaftliche Anerkennung. Der Frust ist groß. Die Politik reagiert auf ihre übliche Art und Weise. Mit Ablenkungsmanövern. Olympische Spiele will man mal wieder ausrichten. Als würde dies die notwendigen Impulse beschleunigen, zumal frühestens 2040 dafür in Frage käme, denn 2036, exakt einhundert Jahre nach den Spielen der Nationalsozialisten 1936 in Berlin, wäre vom Zeitpunkt her nicht sonderlich gelungen. Außerdem hat man derzeit wohl andere Sorgen, als einer privaten Institution wie dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) unter die Arme zu greifen. Eine Partei für den Sport Dabei übersieht die Politik in ihrer Themeneinfalt über Wirtschaft und Migration, Abschiebungen und Grenzkontrollen, das Sportpotential an Wählerstimmen. In den 86.000 Vereinen etwa in Deutschland sind über 28 Millionen Menschen registriert. Das sind 3,2 Prozent mehr als vor einem Jahr. Ein Drittel der Gesamtbevölkerung sind so erfasst. Und keine politische Partei kümmerte sich im Vorfeld der Wahl am kommenden Wochenende um diese große Gruppe. Ich träume gerade so vor mich hin. Ich gründe eine Partei. Sagen wir mal &bdquo;PSG“ (Partei für Soziales, Sport, Gesundheit und Gemeinwohl). Auf einen Schlag habe ich, wenn ich es geschickt anstelle, eine unvorstellbare große Zahl an Wählern. Ich verspreche auch meiner Zielgruppe, was diese hören will. (Man lernt da ja schnell dazu). Schwimmbäder werden restauriert, Sporthallen modernisiert, Trainergehälter aufgebessert. Dazu werden Spitzensportler stärker abgesichert. Natürlich darf das Wort &bdquo;Steuer“ nicht fehlen. Alle Prämien, die man bekommt wie etwa bei Erfolgen im Zeichen der Ringe, bleiben in Gänze bei den Athleten. Steuerfrei. Das kommt immer gut an. Der Schulsport wird auf eine neue Basis gestellt. Viel mehr, ja sogar tägliche Bewegung steht auf dem Stundenplan. Sportlehrer werden eingestellt. Die Krankenkassen werden dazu ins Boot geholt. Dazu steht Ernährung auf dem Stundenplan. Selbstverständlich sollen auch die Kinder in ein sportliches Frühkonzept eingebunden werden. Und wenn wir dann mal dran sind, was nicht zu verhindern ist bei unserem Wählerpotential, bekommen wir auch einen richtigen Sportminister, der ein großes Budget erhält und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) hilfreich zur Seite steht. &bdquo;PSG“. Für eine gesunde, gemeinsame, sportliche Zukunft. Alle gewählten Vertreter unserer Fraktion werden im Trainingsanzug im Bundestag sitzen und sind so leicht zu erkennen für alle. Und vielleicht stellen wir sogar den Kanzler und joggen so leicht und locker durch die Geschichte. Aufwachen. Denn jetzt müssen erst mal neue Schienen gelegt werden, damit die bestellten Hochgeschwindigkeitszüge fahren können. Brücken müssen repariert werden, damit wir sicher fahren können und die Bundeswehr muss wohl möglichst schnell kampffähig ausgestattet werden. Wohnen muss leistbar werden usw. Es drängt sich der Eindruck auf, dass in den letzten zwei Jahrzehnten wenig passierte. Deshalb gibt es so viel zu tun, dass der Sport und auch die Kultur leider auf der Strecke bleiben werden. Wieder einmal. Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayerischen Sportpreises, nominiert für den renommierten Grimme-Preis), Buchautor, langjähriger Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und seit 1989 Kommentator bei Eurosport, widmet sich in seiner wöchentlichen Kolumne der gesamten Vielfalt des Sports. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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Bei allen Diskussionsrunden vor der Bundestagswahl in Deutschland kam der Sport kaum vor. Unser Kolumnist Sigi Heinrich hat sich darüber Gedanken gemacht und sieht darin eine verpasste Chance, um zum einen viele Wähler zu generieren und auch, um dem Sport einen besseren Stellenwert zu sichern.

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