Sigis Spitze | Ein letzter Treffer von Thomas Bach

Er setzte noch einen letzten, sehr genauen Treffer. Ganz so wie seinerzeit in Montreal, als er 1976 mit seinen Kollegen Olympiasieger im Fechten wurde. Kirsty Coventry aus Simbabwe ist seine Nachfolgerin im Amt als IOC-Präsident.

Damit hat der gebürtige Würzburger eine letzte Schlacht erfolgreich geschlagen, denn die 41jährige Schwimmerin und zweifache Olympiasiegerin war seine Favoritin. Er hat sie persönlich ins IOC geholt. Nur sie bot ihm die Gewissheit, dass dieses Amt, das er zwölf Jahre innehatte, in seinem Sinn weitergeführt wird. Er wird deshalb wohl als graue Eminenz im Hintergrund noch immer die Fäden ziehen, auch wenn er kundtat, dass er jetzt erst einmal kürzer treten wolle. Der Jakobsweg ist sein nächstes Projekt. Die Füße werden ihn locker tragen, weil er Coventry auf seinem Stuhl weiß. Natürlich war die Wahl geheim. Aber niemand wird so blauäugig sein und nicht wissen, dass vor einer solchen Abstimmung jede Menge Gespräche geführt werden. Kirsty Coventry ist die neue IOC-Präsidentin. © APA/afp / FABRICE COFFRINI

Das ist immer so. Abhängigkeiten müssen beachtet und frühere Gefälligkeiten eingelöst werden. Dass Coventry gleich im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erhielt, kann sich Bach ebenfalls auf seine Fahnen heften. Er benötigte damals als Nachfolger von Jaques Rogge immerhin noch den zweiten Wahlgang. Nach seiner Wahl hat er das Internationale Olympische Komitee (IOC) nach seinen Vorstellungen gestaltet. Nicht immer, ja vielleicht sogar viel zu selten, stand dabei der Athlet im Mittelpunkt. Es ging Bach immer mehr um die Institution. Dafür hat er die Nähe zu Diktatoren und Autokraten billigend in Kauf genommen. Noch während der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi annektierte Russland die Krim, einen Teil der Ukraine. Bach stieß da noch mit Putin auf Spiele an, die von Dopingskandalen der Gastgeber geprägt wurden. Die Schwester von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hofierte er 2018 in Pyeongchang ebenso wie er später Chinas Präsident mit Lob überschüttete.

Bach sah sich gerne auf Augenhöhe mit den Lenkern dieser Welt, auch wenn er betonte, dass die Olympische Bewegung nicht die Fehler der Politik korrigieren könne. Menschenrechtsverletzungen prangerte er nie an. Wichtig war ihm viel mehr der monetäre Aspekt, die wirtschaftliche Stärke der größten Sportorganisation der Welt und die Organisation seiner Spiele. Koste es was es wolle. Sogar Corona konnte ihn nicht bremsen.

Reformer Coe geht leer aus Jetzt übernimmt Kirsty Coventry das Ruder. Zum ersten Mal steht damit eine Frau an der Spitze des IOC. Passend irgendwie fand die Wahl in Griechenland statt. Das Mittelmehr grüßte mit seinem schönsten Blau, perfekt für die Schwimmerin Coventry, der große Reformen indes nicht zuzutrauen sind. Dafür hätte man schon Lord Sebastian Coe (Großbritanien), den Präsidenten von World-Athletics, wählen müssen. Der ehemalige Weltklasseathlet, der auch die Olympischen Spiele in London 2012 hervorragend organisierte, hatte in Paris zum ersten Mal für Athleten Preisgeld ausgeschüttet. Sebastian Coe ging leer aus. © APA/afp / ANGELOS TZORTZINIS

Nur von seinem Verband. Bach war immer strikt dagegen. Coventry wird das beibehalten. Coe wäre ein Reformer geworden, vielleicht sogar auch der andere Kandidat, der eigentlich aussichtsreich im Rennen war: Juan Antonio Samaranch jr., der Sohn des langjährigen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch, der seine Karriere als Botschafter in Russland für das Franco-Regime in Spanien begann.

Politisch gefährliche Nähe Auch jetzt gibt es eine politische Dimension mit der ersten Frau im Amt des IOC. Kirsty Coventry ist nämlich nicht unumstritten als Sportministerin in Simbabwe. Ihre Nähe zu Präsident Emmerson Mnangagwa wird misstrauisch beäugt, zumal Mnangagwa ein enger Weggefährte von Robert Mugabe war, einem der grausamsten Diktatoren in Afrika.

Ein Programm für die Zukunft hat Coventry nicht vorgelegt. Es steht freilich zu befürchten, dass sie den Bann gegen Russland aufheben wird, den Bach mit der Genehmigung von russischen Einzelsportlern in Paris bereits vorbereitet hat. Coe hatte dazu eine klare Meinung. Unter ihm hätte es nicht die kleinste Aufweichung in diesem Punkt gegeben. Immerhin hat Coventry Glück, dass Bach, der perfekte Netzwerker, die Vergabe der Olympischen Spiele in den nächsten Jahren bereits in Stein gemeißelt hat. Nach Mailand/Cortina nächstes Jahr steht für den Sommer 2028 Los Angeles auf dem Programm. Kirsty Coventry hat schon vor ihrer Wahl nie ein Hehl gemacht aus ihren Sympathien für Donald Trump. Ein erster Schachzug vielleicht, um sich die Unterstützung des US-Präsidenten zu sichern. Danach folgen Frankreich im Winter 2030 und Brisbane (Australien) im Sommer 2032.

Damit hat Kirsty Coventry erst einmal Planungssicherheit, was ihr den Einstieg in ihr neues Amt sicher erleichtern wird. Trotz ihrer erst 41 Jahre wird sie vermutlich das IOC, ganz im Sinne ihre Mentors Thomas Bach, sehr straff leiten. Von oben herab und weniger von innen heraus. Alles andere wäre ja fast ein Kulturschock für die IOC-Mitglieder, die lieber abnicken als aufbegehren. Außerdem hatte Kirsty Coventry ja schon als Sportlerin immer alles unter Kontrolle. Auch den Himmel. Sie war Rückenschwimmerin.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayerischen Sportpreises und nominiert für den renommierten Grimme-Preis), Buchautor, langjähriger Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und seit 1989 Kommentator bei Eurosport, widmet sich in seiner wöchentlichen Kolumne der gesamten Vielfalt des Sports. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

Fußball

Italien

Internationale Ligen

International

Eishockey

Tennis

Wintersport

Mehr

Motorsport

Radsport

Wassersport

Events

Favoriten

Sigis Spitze | Ein letzter Treffer von Thomas Bach

Kommentare (0)