Russland-Rückkehr? Ein fatales Zeichen

Ach ja. Weihnachten. Da werden die Herzen wieder weich, wenn Glühweinduft in die Nasen zieht und Vanillekipferl verführerisch auf dem Teller liegen. Da will man doch gleich etwas Gutes tun. Für sich natürlich und irgendwie dann als prima Nebeneffekt auch für andere. Und dazu benötigt man natürlich auch ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit. Thomas Bach, das deutsche Cleverle, weiß das natürlich in seiner Funktion als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Zuletzt war er nämlich ziemlich abgemeldet wegen Katar und dieser Fußball-Weltmeisterschaft, die doch tatsächlich letztlich ein Erfolg zu werden scheint.

Im wunderbaren Lausanne, am noch wunderbareren Sitz des IOC, wo Bach einen Schreibtisch hat vermutlich mit unverbaubarem Blick auf den Genfer See, hat man erkannt, dass jetzt mal ein paar Funken fliegen müssen, damit die Welt weiß, dass es diesen Verein, der die Olympischen Spiele organisiert, überhaupt noch gibt. Bach hat sich deshalb einem Thema angenommen, das garantiert für Aufreger sorgt. Cleverle halt, wie gesagt. Er will russische Athleten und Athletinnen nach Paris bringen. Das heißt also 2024. Da er dieses Projekt wie alle anderen, die er anschiebt, vermutlich auch als Herzensangelegenheit betrachtet, ist er also vermutlich davon ausgegangen, dass sein alter Spezl Putin, dem er immerhin frech den olympischen Orden entzogen hat, dann immer noch die Ukraine in Schutt und Asche legen will.

Bach als Politiker Der Zeitpunkt der Ankündigung seiner Bemühungen könnte nicht ungünstiger sein. Russland zieht nämlich weiterhin eine Spur des Grauens durch die Ukraine. Bald jeden Tag werden neue Kriegsverbrechen bekannt, werden Massengräber gefunden. Beinahe täglich wird die ukrainische Infrastruktur systematisch bombardiert. Als Kollateralschaden erwischt es dann auch mal Krankenhäuser und Wohngebäude. Putin will die Kälte und den Winter als Waffe nutzen. Bekommt Thomas Bach das alles nicht mit? Oder ist er ein eiskalter Funktionär, der seine Vision von Olympischen Spielen für alle zu jeder Zeit über die aktuelle Realität stellt? Er sieht sich ja als oberster Lenker des olympischen Geistes gerne auch irgendwie als Politiker, der nur erste Klasse fliegt und dem die Türen der Regierungspaläste offenstehen. Frankreichs Präsident Emanuel Macron hat er jedenfalls in seine Pläne eingeweiht und stieß da wohl auf Gegenliebe. Die Gastgeber für 2024 wollen nämlich auch, dass es ein Fest wird für alle. Und da gehören die Sportler der Kriegspartei Russlands natürlich dazu. Schließlich sind sie, das wird uns in diesem Zusammenhang suggeriert, auch Opfer.

Russlands Sportler stehen hinter Putin Doch die meisten Athleten und Athletinnen stehen bedingungslos hinter Putin und seiner Idee, die Ukraine mit Waffengewalt heim ins Reich zu holen, auch wenn dann nichts mehr übrig ist von diesem Land, das bitte immer noch ein souveräner Staat ist, zu dem auch die Krim gehört, die Russland direkt nach den Olympischen Spielen in Sotschi annektiert hat. Thomas Bach stand im Grunde neben Putin, als dieser den Befehl gab, die Krim zu besetzen. Vermutlich während der Schlussfeier, als die Welt abgelenkt war vom Olympischen Fieber. Putin nutzt seine Sportler wie viele andere Herrscher eines autokratischen Systems als Waffenbrüder in Trainingsanzügen. Russland hat unverblümt von der Ehre der Teilnahme seiner Athleten am Eroberungskrieg gesprochen.

Die ehemalige Weltklasse-Biathletin Olga Zaitseva etwa hat sich deutlich hinter Putin gestellt und den traurigen Satz formuliert, dass sie bereit sei zu kämpfen. &bdquo;Schließlich weiß ich, wie man schießt“. Sie ist kein Einzelfall. Es gibt deshalb keine zwei Wahrheiten. Der Ausschluss Russlands aus allen Veranstaltungen verschiedener Verbände muss weiterhin bestehen bleiben genauso wie der Verzicht auf Wettkämpfe, die in Russland organsiert werden. Offiziell hat ja IOC-Präsident Thomas Bach den derzeitigen Ausschluss Russlands mit dem Schutz für die Athleten und Athletinnen begründet. Schutz vor Anfeindungen ukrainischer Sportler. Scheinbar ist jetzt ein Gewöhnungseffekt in der Kriegsberichterstattung eingetreten und Bach sieht die Zeit gekommen, auf Normalität zu pochen. Es ist ein fatales und falsches Zeichen. Und nur so nebenbei: Das für die olympischen Spiele organisierte Staatsdoping, eine ungeheure Betrugsmaschinerie, ist immer noch nicht aufgearbeitet. Es ist deshalb trotz Weihnachten jetzt nicht die Zeit für Nachsichtigkeit gegenüber Russland. Das trifft auch auf den Sport zu, der Teil eines perfiden Systems ist, das einen Krieg angezettelt hat, der im Übrigen auch auf unser aller Leben längst Einfluss genommen hat. Aber vielleicht spürt man das in Lausanne noch nicht wirklich.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist (u.a. Deutscher Fernsehpreis und Bayerischer Sportpreis), Buchautor und Eurosport-Kommentator widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und streift mitunter auch Themen außerhalb seines Metiers. Mal mit verschmitztem Augenzwinkern, mal bierernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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