Olympischer Mehrkampf in Paris

Die Stadt der Liebe. Paris bezeichnet man gerne so. Warum erschließt sich mir eigentlich nicht so ganz. Besondere oder ungewöhnliche, andere Gefühle als sonst auch, habe ich nicht erlebt in meiner Zeit in der französischen Hauptstadt. Und ich war in den Anfangsjahren von Eurosport regelmäßig an der Seine, manchmal dreimal wöchentlich, so dass ich beim Check-Inn am Flughafen Charles des Gaulle von den Mitarbeitern schon wie ein alter Freund begrüßt wurde, inklusive natürlich einer besonderen Vorzugskarte von Air France. Natürlich ist Paris, auch ohne Liebe, eine Reise wert. Aber es würde den mir zugewiesenen engen Rahmen als Kolumnist sprengen, wenn ich alles aufzählen würde von den Museen über die Parks, die Sehenswürdigkeiten, die Brasserien mit ihrem plüschigen Interieur und natürlich die Restaurants, die, so sagt man gerne, der Welt die kulinarische Richtung weisen. Da ist allerdings viel Nostalgie im Spiel und um dies wirklich zu testen, muss man mittlerweile schon in der Lage sein, die Kreditkarte lässig handhaben zu können. Schließlich kostet längst auch der“ Croque Madame“, ein süchtig machender, ziemlich mächtiger Toast mit Brioche, Gruyèrekäse, Kochschinken, Eier, Milch, Butter, Mehl und Pfeffer mittlerweile überall mehr als zehn Euro. Dafür ist die Metro noch immer günstig und pünktlich. Ich fange also schon mal an zu sparen, denn nächstes Jahr muss oder besser darf ich wieder mal nach Paris. Olympia 2024 in Paris Die Olympischen Spiele werden dort stattfinden und schon die ersten Animationen alleine der Eröffnungsfeier sorgen für Gänsehaut. Die Seine, die sich wie eine Schlange durch Paris windet, ist Austragungsort der Eröffnungsfeier. Das ist irgendwie konsequent, denn Tony Estanguet ist der Präsident des Organisations-Komitees dieser Spiele. Er war dreimal Weltmeister im Kanuslalom, weiß also, wie man gefährliche Hindernisse im wilden Wellentanz umschifft. Diese Eigenschaft kommt ihm jetzt sicherlich zugute, denn er kann immer noch nicht mit Sicherheit sagen, wer überhaupt teilnehmen wird an den Olympischen Spielen 2024, die sein Landsmann Pierre de Coubertin 1894 wiederbelebte und dann genau 1900 (nach Athen 1896) nach Paris holte, wo sie 1924 noch einmal stattfanden. Vor allem die sogenannte Kernsport der Spiele, die Leichtathletik, zeigt sich gegenüber dem Ansinnen des aktuellen IOC-Präsidenten Thomas Bach ziemlich resistent, was die von ihm geforderte Teilnahme russischer und belarussischer Athleten betrifft. &bdquo;An der Position von World Athletics hat sich nichts geändert“, hieß es in einer Aussendung. Das Council des Weltverbandes hatte in der vergangenen Woche entschieden, die Sportler und Sportlerinnen der beiden Länder wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine bis auf Weiteres nicht an den Meetings und Titelkämpfen unter seiner Regie teilnehmen zu lassen. “Wie das IOC gesagt hat, liegt die Entscheidung der Zulassung in der Verantwortung der Verbände“, hieß es weiter. Bach spürt Gegenwind, vor allem von Lord Sebastian Coe, der als Sportler bei Olympischen Spielen weitaus erfolgreicher war als der IOC-Präsident. Coe gewann zweimal Gold und zweimal Silber und stellte insgesamt acht Weltrekorde auf. Zudem war er Präsident des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 2012 in London und ist seit 2015 Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes, den er nach der umstrittenen Ära seines Vorgängers Lamine Diack geordnet und erneuert hat. Coe geht unbeirrbar seinen Weg, der ihn vielleicht eines Tages sogar an die Spitze des IOC führt, das ihn fünf Jahre lang warten ließ, ehe er als Präsident eines Weltverbandes aufgenommen wurde, was normalerweise ein Automatismus ist nach einer erfolgreichen Wahl. Der Stachel scheint noch ein wenig zu schmerzen. Klar ist jedenfalls, dass Thomas Bach laut der Olympischen Charta 2025, ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Paris, nicht mehr kandidieren kann. Ich könnte mir ein Engagement von Sebastian Coe, der in England Mitglied des &bdquo;House of Lords“ ist, gut als Präsident des IOC vorstellen, wobei die Ablehnung des Vorschlages von Bach bezüglich der russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten keineswegs als billiges Säbelrassen zu verstehen ist. Coe nutzt die Situation nicht aus, um Stimmen für ein mögliches Engagement an der Spitze der Olympischen Bewegung zu sammeln. Er verfolgt im Grunde konsequent zusammen mit anderen Verbänden wie den Schwimmern die Vorgabe seines Gremiums. Vor allem in Europa ist der Widerstand groß, während sich viele Länder in Afrika und Asien hingegen auf die Seite von Bach stellen, wobei chinesische und russische Diplomatie in Verbindung mit wirtschaftlichen Hilfen deren Meinung beeinflussen. Die Ukraine hat vorsorglich schon mit einem Boycott der Spiele gedroht, sollten Russen und Belarussen in Paris teilnehmen dürfen. Dann träfe es ausgerechnet jene, die am stärksten unter Putins Bombardement leiden. Das kann und darf niemand goutieren. Im olympischen Reich ist jedenfalls derzeit ordentlich Feuer unter dem Dach. Da trifft es sich vielleicht ganz gut, dass die Eröffnungsfeier auf der Seine stattfindet. Ein wenig Abkühlung hat noch nie geschadet. Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist und TV-Kommentator (u.a. Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Sportpreis, Biathlon-Award und World-Sports-Trophy) widmet sich in seiner Kolumne der gesamten Vielfalt des Sports und wildert mitunter auch in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei. Heinrich, der nach seinem Sportstudium an der TU München zehn Jahre Redakteur der Süddeutschen Zeitung war, kommentierte für Eurosport zum ersten Mal 1992 bei Olympischen Spielen. In Paris wird er zum 15. Mal eine Eröffnungsfeier am Mikrophon begleiten.

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