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Olympia in Paris wird ohne große russische Beteiligung über die Bühne gehen. © APA/afp / EMMANUEL DUNAND

Olympia 2024 und das Problem mit Russland

Der Umgang mit Russland stellt den internationalen Sport vor eine Zerreißprobe. So auch jetzt unmittelbar vor den Olympischen Spielen in Paris.

Seit dem Beginn der russischen Angriffe auf die Ukraine im Februar 2022 sind Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus von einem Großteil der internationalen Sport-Wettbewerbe ausgeschlossen. Für Teamsportarten gilt dieser Bann fast flächendeckend, für Individualsportler greift eine umstrittene Neutralitätsregel. Auch bei den Sommerspielen in Paris.


Ob sie letztlich aus freien Stücken oder erzwungenermaßen ihren Olympia-Traum aufgaben, wird man wohl nie erfahren. Nach offiziellen Angaben werden nur 16 Sportlerinnen und Sportler aus Russland und 17 aus Belarus an den Sommerspielen teilnehmen. Sie treten bei den Bewerben ab 26. Juli unter neutraler Flagge und ohne Hymne an, zur Eröffnungszeremonie an der Seine sind sie nicht zugelassen. Ihre Leistungen werden nicht im Medaillenspiegel berücksichtigt. Politiker und Top-Sportfunktionäre erhalten keinen Zugang zu den Wettkampfstätten.


16 statt 335 Starter

Bei den Sommerspielen von Tokio 2021 hatten noch 335 russische Sportler 71 Medaillen gewonnen. Es hätten auch dieses Mal in Frankreich mehr Aktive sein können. Nach langen Debatten um ihre Teilnahme am größten Sportereignis der Welt hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) 36 Startplätze unter Auflagen gewährt. Mehrere russische Sportverbände nahmen diese Einladung nicht an. Dazu gehören Sportarten wie Judo, Ringen, Schießen und Turnen, in denen Russland üblicherweise dominiert. Sie beklagten demütigende Bedingungen.

Für eine Zulassung dürfen die Athleten keine Verbindung zur Armee und den Sicherheitsorganen haben und nicht aktiv ihre Unterstützung für den Krieg in der Ukraine gezeigt haben. Als zusätzliche Auflage forderte das IOC ein schriftliches Bekenntnis zur Olympia-Charta und damit zur sogenannten Friedensmission der olympischen Bewegung.

Daniil Medvedev ist der Star im russischen Olympia-Aufgebot. © ANSA / TOLGA AKMEN


Abdulrashid Sadulaev, der zweifache Olympiasieger im Ringen, hatte das von einer IOC-Kommission überwachte Auswahlverfahren nicht bestanden. Er soll an einer Großkundgebung in Moskau teilgenommen haben, auf der Wladimir Putin die Invasion der Ukraine verteidigt hat. Der russische Ringerverband nannte die Entscheidung „unsportlich“, sie ziele darauf ab, den Teamgedanken zu untergraben. Russland hält die Auflagen im Allgemeinen für „unrechtmäßig, unfair und inakzeptabel“, wie Stanislav Pozdnyakov, der Chef des Russischen Olympischen Komitees (ROC), sagte.

„Die Bedingungen, die dort gestellt wurden – ohne Flagge, ohne Hymne – waren unpatriotisch“, schrieb die Ringerin Veronika Chúmikova der Nachrichtenagentur Reuters in einer WhatsApp-Nachricht. Die Absage ihrer Teilnahme sei ihre eigene Entscheidung gewesen. Auch Tennis-Spieler Andrei Rublev und Radfahrer Aleksandr Vlasov gehörten zu den 20 Sportlern, die in Paris so nicht wettkämpfen wollen. Von jenen, die teilnehmen, stellen die Tennisspieler um Wimbledon-Halbfinalist Daniil Medvedev mit sieben Athleten die größte Fraktion.


Russische Athleten erhalten Geld

Laut russischen Angaben haben die Sportler eine Kompensation erhalten. An 245 Athletinnen und Athleten seien 200 Millionen Rubel (rund 1,92 Mio. Euro) ausgezahlt worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur RIA. Das Geld hätten jene bekommen, die nicht an internationalen Wettbewerben teilnehmen konnten, um sich zu qualifizieren – und jene, die keinen neutralen Status für die Teilnahme an den Spielen erhielten.

IOC-Präsident Thomas Bach im Jahr 2019 auf einem Foto mit Wladimir Putin. © APA/afp / SERGEI BOBYLYOV


Die Hoffnung auf einen Olympischen Frieden – eine Idee der Olympischen Bewegung, in der es um Waffenstillstand unmittelbar vor, während und nach den Spielen geht – wird sich aller Voraussicht nach nicht erfüllen. Zu groß scheint das gegenseitige Misstrauen zwischen Kiew und Moskau. Putin ignorierte diese Idee mehrfach, vielmehr führte der russische Staatspräsident seine politischen Winkelzüge gerade dann durch, als die Weltöffentlichkeit vermeintlich auf das sportliche Mega-Event fokussiert war.


Kaum Chancen auf olympische Waffenruhe

Am 24. Februar 2022 – wenige Tage nach Ende der Olympischen Winterspiele in China – befahl Putin den Einmarsch in die Ukraine. 2014 startete Russland nur Tage nach dem Ende der Winterspiele im eigenen Land die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim. Und 2008 rollten just am Tag der Eröffnung der Sommerspiele von Peking russische Panzer in die völkerrechtlich zu Georgien gehörende Region Südossetien ein.

Ungeachtet des Krieges wird die Ukraine an die 100 Sportlerinnen und Sportler nach Paris entsenden. „Es ist schon ein Sieg, dass wir unter den Bedingungen der Invasion teilnehmen können“, sagte Wadym Gutzajt, der Präsident des ukrainischen Olympischen Komitees. Sportminister Matviy Bidnyi rief seine Landsleute dazu auf, „kühlen Kopf“ zu bewahren, und sich von erwarteten Provokationen der russischen Kontrahenten nicht beeindrucken zu lassen.

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