Ein Abschied auf Raten

Wütend warf Cristiano Ronaldo die Kapitänsbinde nach der Niederlage in der Nations-League gegen Spanien auf den Rasen. Sein Team hat sich damit nicht für das Finale nächstes Jahr qualifiziert. Noch immer ärgert er sich maßlos, wenn er scheitert, noch immer sind seine Reaktionen danach ziemlich verwirrend, denn sein Ehrgeiz ist ungebremst. Vielleicht lag es diesmal auch daran, dass er im Alltag des Vereinslebens derzeit einen schweren Stand hat. Bei Manchester United ist er nur noch ein Spieler unter vielen und keine herausragende Persönlichkeit mehr, um den herum sich zehn andere versammeln, um dem vormaligen König der Kicker die Ehre zu erweisen, indem sie ihn mit feinen Pässen füttern.

Früher hat er diese dann elegant oder wuchtig, trickreich oder feinfühlig in Tore verwandelt. Er war die Tormaschine und hat sich entsprechend auch inszeniert. Aus Freistößen machte er eine Riesenshow. Maß mit ein paar langen Schritten den Abstand zu seinem Anlauf aus und zauberte dann den Ball über mehrere Abwehrspieler hinweg, die eine Mauer darstellen sollten, ins Netz. Und immer folgte sein typischer Jubel. Ronaldo ist längst über alle seine Mitspieler hinausgewachsen, wo immer er auch spielte. In der Nationalmannschaft sowieso. Portugal ist ohne ihn noch immer kaum vorstellbar. Und doch wird man sich in naher Zukunft mit der Option beschäftigen müssen, ohne ihn auskommen zu müssen. Ronaldo ist jetzt 37 Jahre alt. Es ist klar, dass dieses Alter für fast jeden Sportler zu einem Dauerthema wird, wenn es um Rücktritt und Karriereende geht. Außer man ist Golfspieler oder Reiter, vielleicht auch Snookerspieler. Gentleman-Rücktritt von Federer Roger Federer hat jetzt mit 41 Jahren seinen Tennisschläger endgültig in die Ecke gestellt und bedient nur noch die Espressomaschinen, für die er seit Jahren fleißig Reklame macht. Aber es ging letztlich bei ihm auch gesundheitlich nicht mehr. Federers Abschied war auf jeden Fall eines Champions würdig. Er passte zu ihm. Perfekt wie ein Gentleman sagte er leise servus. Die letzte einhändig gespielte Rückhand des Schweizers könnte ein Vorbild sein für einige seiner Kollegen.

Roger Federer sorgte beim Laver Cup für Gänsehaut. © ANSA / ANDY RAIN

Auch für Cristiano Ronaldo, der sich weiterhin an ein ewiges Fußballerleben klammert und dabei die Tatsache ignoriert, dass auch auf seiner Position längst jüngere Spieler zur Verfügung stehen, die -und das ist das Problem, das der Portugiese wohl nur schwer verkraftet –schon besser sind als er. Besser als Cristiano Ronaldo, das kann und soll und darf eben nicht sein. Aber noch ist er immerhin ein Fixstern in seinem Nationalteam, noch darf er eine weitere Weltmeisterschaft in Bälde in Katar spielen und noch ist er eine Inspiration für seine Mitspieler in der portugiesischen Auswahl. Erinnern wir uns an die Europameisterschaft 2016, als er im Endspiel gegen Frankreich nach 25 Minuten verletzt vom Platz getragen wurde. Er tauchte dann mit dick bandagiertem Oberschenkel an der Seite von Trainer Fernando Santos auf und dirigierte von der Seitenlinie das Spiel Portugals. Im Einklang mit dem Coach, was damals auch eine kleine Überraschung war, weil man ihm ein angespanntes Verhältnis zu Santos nachsagte. Portugal gewann übrigens 1:0 ohne Ronaldo auf dem Spielfeld, aber mit ihm an der Außenlinie. Machte er damals trotzdem den Unterschied aus? Kann er das noch immer? Auch bei Manchester United? Er bekommt nicht mehr die gewohnte Spielzeit. Er ist mitunter nur Einwechselspieler, was ja auch schöner klingt als Ersatzspieler.

Aber am Ende, nein am Ende ist Cristiano Ronaldo noch nicht. Es ist zudem auch sein persönliches Recht, dieses so lange wie möglich hinauszuzögern. Nur wird er wissen, dass er jetzt, wo er stramm auf die Vierzig zugeht, nicht mehr mit seinen gewohnt horrenden Gehaltsforderungen auftauchen kann. Das ging bis jetzt noch. Damit ist wohl Schluss. Und es gibt auch kein verbrieftes Recht als Stammspieler. Ronaldo bräuchte jetzt im Ausklang eines unvorstellbar erfolgreichen Lebens als Kicker mehr als nur eine Prise Bescheidenheit, um letztlich ähnlich würdevoll wie eben etwa Roger Federer abzutreten und damit auch die Erinnerung an seine Dribblings und Tore lebendig zu halten. Der Abschied, das ist immer wieder festzustellen, ist vermutlich eine der schwersten Übungen eines Sportlerlebens. Das kann man nicht trainieren, diesen Punkt schiebt man immer gerne weg und wird doch stets mahnend daran erinnert. Mal mehr, mal weniger. Aber im Grunde vom ersten Wettkampf an, vom ersten Spiel. Die letzten Jahre als aktiver Akteur werden deshalb vielleicht die schwierigsten werden für Cristiano Ronaldo. Und die Weltmeisterschaft in Katar möglicherweise das große Abschiedsfestival, bei dem er wieder immerhin wieder die Kapitänsbinde für Portugal tragen darf. Freuen wir uns deshalb noch einmal auf ein paar typische Ronaldo-Kunststücke. Viele wird es nicht mehr geben.

Zur Person: Sigi Heinrich Der renommierte Sportjournalist, Buchautor und vielfach ausgezeichneter Eurosport-Kommentator (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises und des Bayerischen Sportpreises) widmet sich in seiner Kolumne “Sigi´s Spitzen“ nicht nur der gesamten Vielfalt des Sports. Auch Themen außerhalb seines gewohnten Metiers beschäftigen ihn. Mal sehr ernsthaft, oft auch mit einem verschmitzten Augenzwinkern und mitunter auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle was dabei sein.

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Ein Abschied auf Raten

Portugal ist mit Cristiano Ronaldo knapp am Einzug in das National-League-Finale im nächsten Jahr durch die Niederlage gegen Spanien gescheitert. Für unseren Kolumnisten Sigi Heinrich beginnt auch mit der WM in Katar die Abschiedstour für den portugiesischen Superstar.

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