Leichtathletik-Landestrainer Karl Schöpf im Interview

Mit dem GP-Finale sowie den Italienmeisterschaften der Altersklassen U18 und U16 stehen die Saisonhöhepunkte vor der Tür. Wie ist es um Südtirols Leichtathletik-Nachwuchs bestellt?

Karl Schöpf: Wir sind dort wo wir hingehören. Die Tendenz ist gleichbleibend. Wir stellen bei der U18-Italienmeisterschaft ein Prozent der Teilnehmer, und wenn wir eine Medaille gewinnen - was durchaus realistisch ist - entspricht das ebenfalls dem Bevölkerungsanteil Südtirols an Italien. Beim Grand Prix waren die Teilnehmerzahlen heuer im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig. Die Zusammenarbeit Schule - Sportverein funktioniert hingegen hervorragend. 70 Prozent der Südtiroler Teilnehmer an Schulmeisterschaften sind auch im Sportverein aktiv. Man kann also sagen, dass den Vereinen keine Talente durch den Rost fallen. Da sieht es italienweit nicht überall so rosig aus.

Inwieweit ist der Grand Prix mitverantwortlich für die Erfolge Südtiroler Nachwuchsathleten auf nationaler Ebene?

Ich denke schon, dass sich der Grand Prix diesbezüglich positiv auswirkt. Nehmen wir Isabel Tribus hier. Sie entwickelt sich bei den Hindernisrennen gut, weil sie von klein auf auch mit den Hürden aufgewachsen ist. Agnes Tschurtschenthaler wäre sicherlich eine gute Hindernisläuferin geworden, aber sie hat nie gelernt, die Hindernisse technisch gut zu meistern. Roberta Albertoni, Lisa Seppi oder Valentine Alber können wir getrost als Grand Prix-Kinder bezeichnen. Von den drei Südtiroler Medaillenhoffnungen für die U16-Italienmeisterschaft sind zwei Mehrkämpfer. Und vergessen wir nicht: Auch Christian Obrist und Hannes Kirchler haben sich in jungen Jahren sehr vielseitig entwickelt.

Am Wochenende findet in Rieti die U18-Italienmeisterschaft statt. Wie erklären Sie sich, dass dort die Athletendecke in Südtirol sehr dünn ist?

Das ist ein europaweites Phänomen. Bei uns ist der Aderlass zwischen den Altersklassen U16 und U18 deshalb so evident, weil wir in absoluten Zahlen nicht so viele Athleten haben wie große Regionen. Ursachen dafür gibt es viele. Sicherlich spielt die Pubertät eine große Rolle. Eine Ursache kann auch die zu frühe Spezialisierung sein. Ich habe mich sogar gefragt, ob der Grand Prix eine Mitschuld trägt. Sobald die jungen Athleten aus der U16-Altersklasse entwachsen, haben sie kein solches Wettkampf-Angebot mehr. Leichtathletik soll in jungen Jahren aber vor allem Spaß machen. Einige Athleten merken in der U18 auch, dass sie italienweit nur unter ferner liefen sind und schmeißen auch deshalb alles hin. Doch wer Geduld hat, wir belohnt, wie das Beispiel von Gertrud Bacher bewiesen hat. Als 18-Jährige war sie nämlich noch unter ferner liefen.

In der allgemeinen Klasse hat Südtirol derzeit eine "Goldene Generation". 2007 und 2009 nahmen jeweils vier Südtiroler an den Weltmeisterschaften teil. Ist so eine Generation wieder im Anmarsch?

So eine Konstellation ist wohl einmalig. Bei allem Respekt vor den sehr kompetenten Trainern die wir haben, war bzw. ist das auch ein glücklicher Zufall. Da ist alles zusammengekommen. Aber Talente haben wir heute wie damals. Wieso soll ein Andreas Zagler den Speer später einmal nicht an die 80 m werfen oder eine Lisa Seppi um nur zwei von ihnen zu nennen, nicht ganz nach oben kommen? Doch bis dorthin ist es ein weiter Weg.

Wie sehen sie die Entwicklung der italienischen Leichtathletik?

Veränderungsbedürftig. Da nehme ich mir kein Blatt vor den Mund. Italien trauert den guten alten Zeiten nach, als sie auf den Mittelstrecken die Besten der Welt waren. Die Erfolge aus jener Zeit sind nicht wiederholbar. Das ist eine Utopie. Wir alle wissen, dass die damaligen Erfolge nicht nur auf überragende Trainingsmethoden zurückzuführen sind. Sich darauf zu fixieren, im Sprint und auf den Mittelstrecken in der Weltspitze mitzumischen, ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. In den so genannten technischen Disziplinen könnten wir mit Kontinenten wie Afrika leicht mithalten. Deutschland zum Beispiel investiert sehr stark in die Ausbildung der Trainer und nützt sein technisches Know-How. Die Folge: Bei den Weltmeisterschaften in Daegu haben sie in den technischen Disziplinen groß abgeräumt.

Mit Verlaub, Südtirol hat diese Entwicklung aber auch verschlafen.

Das stimmt, und das muss ich auch mir als Landestrainer zuschreiben. In den 80er Jahren hatten wir bereits mehrere gute Techniker. Wir müssen die Trainer zu mehr Vielseitigkeit ausbilden. Wenn die Trainer ihren Horizont erweitern, profitieren auch die Athleten davon. Ich selbst bin auch nicht als Mehrkampftrainer geboren. Gertrud Bacher war am Anfang ihrer Karriere keine gute 800-m-Läuferin. Sie ist aber im Laufe der Zeit zur besten Mehrkämpferin weltweit über 800 m aufgestiegen.

Sie sind jetzt seit zwei Jahren Landestrainer. Wie fällt ihre persönliche Zwischenbilanz aus?

Meine Arbeit sollen andere beurteilen. Ich habe eigentlich nur das Erbe von Bruno Cappello weitergeführt. Mein Credo ist ein behutsamer Aufbau und eine breite Basis. Ich versuche nur, meiner Linie treu zu bleiben. Wo wollen bzw. müssen Sie in Zukunft noch die Hebel ansetzen?

Wir müssen den Trainern das Arbeiten mit ihren Athleten in ihrem Verein ermöglichen. Ich will den Trainern helfen, sich auszubilden. Ich möchte dazu u.a. auch Gastreferenten aus Deutschland einladen. Die Kontakte stehen. Ich will den Trainern mehr mitgeben. Darin habe ich Aufholbedarf.

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