EM-Tagebuch | Der Wahnsinn Olympiastadion

Ich hatte mir ehrlich gesagt schon erwartet, dass ein Besuch im altehrwürdigen Münchner Olympiastadion eines der Highlights der European Championships sein dürfte. Diese Erwartungen wurden bei meinem ersten Besuch am Dienstagabend bei weitem übertroffen. Schon der Weg dorthin durch den 1972 entstandenen weitläufigen Olympiapark mit seinem Zeltdach, das sich auch über einen Großteil des Olympiastadions spannt, wurde zum Erlebnis. Im Stadionrund selbst sorgten 40.000 elektrisierte Fans aus vielen Ländern für eine Wahnsinnsstimmung.

Selbstverständlich haben dazu die Athleten entscheidend beigetragen, allen voran Zehnkämpfer Niklas Kaul und Sprinterin Gina Lückenkemper. Dieses Duo sorgte für 2 unerwartete Goldmedaillen für Gastgeber Deutschland – zur Begeisterung der heimischen Fans, die trotz aller Internationalität in deutlicher Überzahl waren. Niklas Kaul lag vor den letzten 2 Disziplinen noch auf Rang 7, setzte im Speerwerfen und im 1500-m-Lauf – wild angefeuert von den Fans – zu einer unglaublichen Aufholjagd an und überholte noch den lange Zeit klar führenden Schweizer Simon Ehammer. Gina Lückenkemper hingegen warf sich im 100-Meter-Finale ins Ziel und überholte so um 0,005 Sekunden Favoritin Mujinga Kambundji (Schweiz). Dass die Deutsche danach wegen ihrem Zielsturz mit 8 Stichen am Oberschenkel genäht werden musste, war ihr natürlich völlig egal.

Dieter Seifert berichtet aus München. © ÖA / jaidermartina

Zurück zur Internationalität: Um mich herum saßen Esten, Schweden, Italiener, Rumänen und Schweizer. Das Pärchen aus der Schweiz, das vor mir saß, erinnerte mich an eine meiner ersten Sportgroßveranstaltungen, die ich miterleben durfte: Vor genau 35 Jahren bei der Leichtathletik-WM 1987 in Rom saßen hinter mir die Eltern des Schweizers Werner Günthör, der an jenem Abend Weltmeister im Kugelstoßen wurde und Lokalmatador Alessandro Andrei auf Platz 2 verdrängte. Diesmal hatten die Eidgenossen wieder Grund zum Feiern: Die 2 Silbernen von Kambundji und Ehammer. Und die Fans der &bdquo;Azzurri“? Die hatten letztlich auch Großes zum Feiern – zuerst die Bronzemedaille von 5000-m-Läufer Yemaneberhan Crippa und dann DIE Goldene: Den Europameistertitel im 100-Meter-Lauf von Olympiasieger Marcell Jacobs, der pünktlich zur EM eine Machtdemonstration abgab. Übrigens: Schon allein die Lichtshow, mit der die 100-Meter-Endläufe eingeläutet wurden, war es wert, im Stadion dabei gewesen zu sein. Warme Temperaturen Gestern früh dann ein anderer Schauplatz: Die Rudi-Sedlmayer-Halle ist eine der geschichtsträchtigsten Sportstätten Münchens und fügt als Austragungsort der Tischtennis-Europameisterschaft ein weiteres Kapitel zu ihrer Historie hinzu. Die fürs olympische Basketballturnier 1972 gebaute Halle diente danach als Veranstaltungsort für allerlei Events: Für Konzerte von Bruce Springsteen und Queen, für den Eurovision-Song-Contest 1983 und sogar für den Dreh des Kultklassikers &bdquo;Rollerball“. Seit 2011 ist die Rudi-Sedlmayer-Halle die Heimat des FC Bayern Basketball. Und dort war ich, um Südtirols Tischtennisspielerinnen Debora Vivarelli und Giorgia Piccolin mitzuerleben, zuerst im Doppel-Achtelfinale, das leider verlorenging, und dann Piccolin noch im Einzel, das die Boznerin letztlich souverän gewann.

Die Halle hat gewiss ihr Flair, und auch die Beschriftung erinnert noch an Olympia 1972, allerdings konnte die Stimmung bei weitem nicht mithalten mit jener im Olympiastadion. Vielleicht springt in den Partien, in denen es um Medaillen geht, das &bdquo;Fieber“ mehr über. Giorgia (26) hofft, noch eine Weile im Rennen zu bleiben. Für ihren Bruder Jordy (25) und die seit Juni verheiratete Eppanerin Debora Vivarelli (29) ist die EM allerdings schon zu Ende.

Weit mehr Stimmung, auch mit aufpeitschender Musik, habe ich dann am Königsplatz erlebt bei den Beachvolleyballern und den Sportkletterer. Und das Ganze auf einem Platz, der sonst für seine Bauwerke wie die Glyptothek, die Propyläen und das Lenbachhaus bekannt ist. Unabhängig, ob Sport oder Kultur: Mir war es zu heiß unter der prallen Sonne ohne jeglichen Schatten. Ich komme erst heute wieder, wenn unser Kletterer Filip Schenk im Kombi-Finale sein Können zeigt.

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EM-Tagebuch | Der Wahnsinn Olympiastadion

Das Olympiastadion ist eines der Highlights der European Championships in München. Dolomiten-Redakteur Dieter Seifert schildert seine Erfahrungen von vor Ort.

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