Chancenlos auch ohne Mütze

Hut oder Mütze. Kappe, Sombrero oder ein klassischer Stetson mit großer Krempe, der nun wirklich Eindruck schindet? Oder gar ein leichter Helm, wie man ihn beim Radfahren benutzt? Auf jeden Fall muss etwas auf die Birne als Schutz vor was auch immer. Vor der Sonne, einem Sturz auf den Kopf oder gar vor wilden Gedanken, die sich allerdings federleicht von jedweder Bedeckung befreien können. Dagegen gibt es kein Rezept und auch kein noch so modisches Accessoire. Gedanken fliegen immer. Meist ohne eigenes Zutun, was durchaus anstrengend werden kann. Oder man macht sich halt so seine Gedanken. Um Kopfbedeckungen etwa, die im Sport augenscheinlich besonders gerne verwendet werden, wobei sich mir bei manchen Exemplaren die Sinnhaftigkeit nicht ganz erschließt. Wieso trägt ein Tennisspieler eine Kappe mit Sonnenschild verkehrt herum? Mancher sogar in der Halle. Der Klettverschluss drückt dabei auf die Stirn. Ob das auf Dauer gesund ist? Vermutlich ist es ein Gag, eine Angewohnheit. Ein klassisches Stirnband fände ich für einen solchen Fall, der wohl die Haarpracht bändigen soll, besser und das sähe auch eleganter aus. Aber das ist wie immer in solchen Fragen ausgesprochen subjektiv. Ich persönlich trage etwa höchst selten eine Kopfbedeckung. Nicht mal im Winter als zusätzlichen Ohrenschutz. Bei heftigem Schneefall greife ich notfalls zu einem alpenländischen Produkt. Dann fühle ich mich für einen kurzen Moment wie Wildschütz Jennerwein, wie ein kleiner Revolutionär, der gegen das Establishment kämpft, gegen Willkür und Fremdbestimmung. Tja, so ein Hut kann schon Zeichen setzen und den Menschen verändern. Man braucht ja nur jedes Jahr nach Ascot schauen zum berühmten Pferderennen. Da muss man ein Fernglas mitnehmen, einen Picknickkorb und Hüte, große Hüte. Wirklich große die aussehen wie Megachampignons und das Gesicht nur noch als Randerscheinung erkennen lassen. Gut, wer`s braucht. Als Unteroffizier bei der Bundeswehr und damit eine der tragenden Säulen der deutschen Armee, musste ich ein &bdquo;Schiffchen“ auf die Haare setzen. Also das krasse Gegenteil einer Variante, die in England so gefragt ist. Mein damaliger Vorgesetzter hieß übrigens Helmut Schmidt, der seinerzeit das Haarnetz einführte, was mir, der damals einen ziemlich krausen Wuschelkopf hatte, sehr entgegenkam, weil ich auch da meine Jennerwein-Sehnsucht ein wenig renitent ausleben konnte. Freie Sicht für freie Gedanken Ab und zu spiele ich jetzt auch Golf und sehe dabei oft mit Verwunderung, wie meine Kollegen im Flight, so heißt das da wohl, mit einer Mütze spielen. Mich würde sie wahnsinnig behindern. Ich denke, dass sie das Sichtfeld eingrenzt und ich brauche bei meinem Handicap – das ist hiermit wörtlich zu nehmen- jeden Zentimeter freier Sicht, vor allem nach dem Schlag auf den Ball, weil ich nie so richtig weiß, wohin er wohl fliegen wird. Den Spielern der USA erging das beim Ryder-Cup wohl ähnlich. Im übertragenen Sinn, denn sie verloren in Rom gegen eine europäische Auswahl, haben also ordentlich einen auf die Mütze bekommen und das, obwohl sie im Verlauf der prestigeträchtigsten Veranstaltung, die es im Golf gibt, mehr und mehr ihre Käppis mit dem US-Wappen darauf in der Kabine ließen. Manchmal erkennt man die Spieler dann kaum noch, denn solche Mützen sind ja längst auch ein Erkennungsmerkmal und bieten einen Superplatz für einen Sponsor. Helme natürlich auch. Aber die US-Jungs wollten plötzlich gar keine US-Jungs mehr sein. Nicht so richtig jedenfalls, denn diesmal brach es nach langer Zeit der wohl geduldeten Unterdrückung ihrer Gedanken, aus ihnen heraus: Sie spielen zwar gerne für ihr Land aber bitte künftig nur noch mit entsprechender Entlohnung. Natürlich ist es fast ein Anachronismus, dass ausgerechnet in einer Sportart, die monetär zu den einträglichsten für alle Akteure gehört, der Ryder-Cup gespielt wird nur um Ehre einzulegen. Für Europa die einen, für die Vereinigten Staaten die anderen. Das alle zwei Jahre ausgetragene Match ist nach dem britischen Saatguthändler und Golfsponsor Samuel Ryder benannt und wurde 1927 zum ersten Mal ausgetragen. Es hat dabei nie Preisgelder gegeben, auch diesmal nicht und es wird vermutlich und hoffentlich so bleiben. Denn es tut gut, dass es in unserer Zeit, in der es stets heißt, Zeit ist eben Geld, noch ein solches Überbleibsel aus einer längst vergangenen Epoche gibt. Um ihrer Forderung nach Modernität in ihrem illustren Sport Nachdruck zu verleihen und einen äußeren Protest zu formulieren, verzichten mehr und mehr Spieler der Vereinigten Staaten auf ihre Teamkappe, angeführt wohl von Patrick Cantlay, der freilich einen guten Grund hatte gegen die alten und seiner Meinung wohl verstaubten Regeln vorzugehen. Er hat bislang in seiner Karriere lediglich kolportierte 40 Millionen US-Dollar eingespielt. &bdquo;Hut ab für dein Bankkonto“ skandierten Fans aus Europa am Rande der Fairways. Derweil jubelten die Europäer nach ihrem Sieg ausgelassen wie kleine Buben, die gerade einen freien Eintritt in eine Schokoladenfabrik bekommen haben. Teamgeist, Freundschaft, Miteinander und gegenseitige Hilfe und Respekt innerhalb der Mannschaft siegte über bodenlose und in diesem Fall vollkommen fehlgeleitete Gier einer Truppe von Millionären. Schlicht formuliert geht mir da wirklich der Hut hoch. Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist, Buchautor und Eurosport-Kommentator widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert gerne auch in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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