Wie stark ist der „neue“ FC Südtirol?

Acht Neuzugänge hat der FC Südtirol bisher unter Vertrag genommen. Das sind nicht wenige, aber auch nicht so viele, wie es im Sommer vor einem Jahr (14) waren. Der Umbruch fällt kleiner aus – auch weil kaum ein Leistungsträger den Verein verlassen hat. Einzig Abwehrroutinier Filippo Scaglia ist weg. Er hat sich der U23-Mannschaft von Juventus angeschlossen und wurde durch Luca Ceppitelli gleichwertig ersetzt.

Auf der Trainerbank geht Federico Valente in seine erste volle Saison als FCS-Profitrainer. Vor einem Jahr saß der ehemalige Jugendcoach des SC Freiburg noch bei der weiß-roten U19 auf der Bank. Nach dem Rauswurf von Pierpaolo Bisoli im Dezember führte Valente die Südtiroler zum sicheren Klassenerhalt. Jetzt darf sich der 49-Jährige erstmals von Anfang an beweisen. Das Ziel ist dasselbe: der Klassenerhalt.

Tor und Abwehr Im Tor hat sich nichts getan. Giacomo Poluzzi ist weiterhin die Nummer 1, dahinter gibt es mit Giacomo Drago einen soliden Stellvertreter. Poluzzi ist auch mit 36 Jahren motiviert wie eh und je, dazu ein Führungsspieler. Auf der Linie ist er bärenstark, die Schwächen beim Herauslaufen fallen nur selten ins Gewicht. Fazit: Im Tor sind die Weiß-Roten gut aufgestellt.

Andrea Masiello (rechts) ist in der Verteidigung des FCS nicht mehr wegzudenken. © Tobias Unterhofer / Alfred Tschager

Ähnlich sieht es in der Abwehr aus, wo viel Routine und etwas Jugend zu finden ist. Andrea Masiello ist mit 38 Jahren noch immer topfit und der Abwehrchef. Neuzugang Ceppitelli (35) bringt die Erfahrung von 154 Serie-A-Spielen mit. Im Vergleich zu Scaglia hat sich der FCS nicht verschlechtert. Der Dritte im Bunde der FCS-Dreierkette ist Andrea Giorgini. Der 22-Jährige hat im Vorjahr den Durchbruch geschafft. Er vereint Physis mit Spielstärke, die Fehleranfälligkeit hat er minimiert. Als Herausforderer stehen die robusten Raphael Kofler (19) und Nicola Pietrangeli (24), der seine erste Serie-B-Saison bestreitet, bereit. Auf den Flügeln starten Simone Davi (links) und Salvatore Molina (rechts) aus der Poleposition. Beide waren im Frühjahr bärenstark und maßgeblich daran beteiligt, dass der FCS den Klassenerhalt vorzeitig eintüten konnte.

Links hat Valente mit Neuzugang Karim Zedadka (24) eine interessante Alternative, rechts stehen der oft verletzte Hamza El Kaouakibi und Federico Davi bereit. Der 22-jährige Leiferer bekommt nach guten Serie-C-Leistungen die Chance bei seinem Ausbildungsverein. Andrea Cagnano kann auf der linken Schiene und hinten spielen, genauso wie Neuzugang Alessandro Vimercati. Dieser wird sich aber hinten anstellen müssen.

Mittelfeld Auf dem Papier ist der FCS im zentralen Mittelfeld schon gut besetzt. Allerdings wird Sportchef Paolo Bravo noch einmal nachbessern. Der Grund: Starspieler Jasmin Kurtic wird kaum alle Spiele über die volle Distanz bestreiten können, es braucht einen hochwertigen Ersatz. Tommaso Arrigoni scheint gesetzt. Der Winter-Neuzugang ist ein Balancespieler, der gekonnt zwischen Abwehr und Angriff pendelt.

Jasmin Kurtic bringt die meiste Erfahrung ins Mittelfeld der Weiß-Roten. © Alfred Tschager

Neuzugang Jacopo Martini (19) bringt Laufstärke und Physis mit. Valente braucht diese Intensität vor allem dann, wenn er in einem 3-5-2-System agieren lässt. Dann kann auch Fabian Tait seine Lieblingsposition auf der Acht bekleiden, genauso wie Alessandro Mallamo. Im favorisierten 3-4-2-1 sind beide für die Zehnerposition vorgesehen, wobei Tait auch auf der Sechs aushelfen kann. Dasselbe gilt für Neuzugang Mateusz Praszelik (von Hellas Verona), der defensiv und offensiv im Mittelfeld spielen kann. Der 23-jährige Pole hat viel Technik und Talent und bringt das Zeug mit, ein Leistungsträger zu werden. Bei seiner letzten Station Cosenza waren die Leistungen oft (zu) schwankend für den großen Durchbruch. Wie in der Abwehr gilt auch für das Mittelfeld: Valente hat viel Auswahl und einige Optionen. Falls Bravo noch einen Kracher für die Sechs holen kann, ist dieser Teil das Prunkstück des FCS-Kaders.

Angriff Der Angriff ist zurzeit (noch) das größte Fragezeichen. Bis auf das 20-jährige Lazio-Talent Valerio Crespi kam noch kein Neuer dazu. Dem robusten Crespi eilen zwar Vorschusslorbeeren voraus, doch mehr als Kurzeinsätze hat er im Vorjahr in Cosenza nicht gesammelt. Auch in Südtirol ist ihm die Jokerrolle zugedacht. Stürmer Nummer 1 ist Raphael Odogwu. Der 33-Jährige wurde im Sommer von Ex-Trainer Bisoli umworben, wollte den FCS aber nicht verlassen. Mit seiner Physis und dem unbändigen Willen wird Odogwu auch heuer Gold wert sein. Der Albaner Silvio Merkaj hat nach dem Blitzstart im Vorjahr (fünf Scorerpunkte in den ersten vier Spielen) stark abgebaut. Im Frühjahr kam er über Kurzeinsätze nicht mehr hinaus. Er muss in seinem zweiten Jahr in der Serie B zeigen, dass er in dieser Liga bestehen kann.

Vor einem Neustart steht Matteo Rover. Der 25-Jährige hat eine Seuchensaison mit nur 736 Spielminuten hinter sich und kann als Neuzugang bezeichnet werden. Findet Rover zu alter Form zurück, ist er eine massive Verstärkung – zumal er in allen Spielsystemen flexibel einsetzbar ist.

Schlüsselspieler in der Offensive bleibt Daniele Casiraghi. Nach der besten Saison seiner Karriere (16 Tore, sieben Vorlagen) hat der Standardspezialist eine Stammplatz-Garantie. Trotzdem: Im Angriff sind die Weiß-Roten noch nicht komplett. Bravo wird die letzten Transfertage abwarten, um einen Hochkaräter (wahrscheinlich auf Leihbasis) nach Bozen zu locken.

Prognosen Auf dem Papier hat Sportchef Bravo gute Arbeit geleistet. Ceppitelli ist ein starker Ersatz für Scaglia, zudem wurde die Mannschaft verjüngt. Das war notwendig, im Frühjahr war der FCS die älteste Mannschaft der Serie B. Den Kern bilden die Routiniers um Poluzzi, Tait und Masiello – aber die Alternativen sind jünger und dynamischer geworden. Das braucht Trainer Valente. Sein FC Südtirol soll intensiv, aggressiv und mutig auftreten. Vom Mauer-Fußball, den Ex-Trainer Bisoli praktizieren ließ, ist nichts mehr übrig. Aber auch Valente steht auf dem Prüfstand. Nach einem ordentlichen Frühjahr muss er beweisen, dass er endgültig im Profibereich angekommen ist. Dass er erstmals mit der Mannschaft eine Vorbereitung absolvieren konnte, sollte ihm helfen. Dass der Großteil des Kaders schon im Trainingslager dabei war, ebenfalls.

Der FCS 2024/25 ist eine spannende Mannschaft. Kann Giorgini seine starken Leistungen bestätigen? Wer sorgt für die nötigen Tore? Und wie schlagen sich die fünf Südtiroler im Profikader? Kapitän Tait ist – wenn er fit ist – gesetzt. Dasselbe gilt für Simone Davi, der sich zu einem der besten Linksverteidiger der Serie B gemausert hat. Sein jüngerer Bruder Federico Davi muss sich die Sporen in Italiens zweiten Liga erst verdienen. Immerhin kann er auf zwei gute Jahre bei Arzignano Valchiampo in der Serie C zurückblicken. Valente attestierte ihm ein &bdquo;sehr interessantes“ Profil. Kofler strebt nach einer guten Auftaktsaison nach mehr Spielzeit. Der Rablander will sich zu einer ernsthaften Abwehr-Alternative entwickeln. Am Anfang seiner Profikarriere steht Benedikt Rottensteiner. Der Rittner war Kapitän der U19-Mannschaft. Spielzeit wird er kaum erhalten. Er soll sich im Herbst körperlich auf eine Leihe in die Serie C vorbereiten.

Simone Davi (rechts) hat sich längst zu einer wichtigen Stütze im FCS-Kader entwickelt. © Tobias Unterhofer / Tobias Unterhofer

Wo wird sich der FCS also sportlich einreihen? Das Ziel ist der Klassenerhalt. Dafür scheint der Kader gut gerüstet. Es gibt erfahrene Haudegen und Talente, die sich beweisen wollen. Im Defensivbereich ist Qualität vorhanden. Vorne werden noch neue Spieler erwartet. Hier ist Bravo gefordert, einen Stürmer mit Torjäger-Qualitäten zum FCS zu lotsen. Weil das Geld bei den Südtirolern nicht endlos fließt, ist Kreativität und Geduld gefragt. Finanziell spielt der FCS auch heuer im unteren Drittel mit, sportlich könnte sich aber mehr ausgehen. Das Italienpokal-Spiel gegen Monza hat Lust auf mehr gemacht.

Serie B Italien	SP	TV	P
1. Pisa	6	12:7	14
2. Sassuolo	6	8:7	11
3. Cremonese	6	8:5	10
4. Brescia	6	8:6	9
5. Spezia	5	7:5	9
6. FC Südtirol	6	9:9	9
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