Sigi`s Spitzen | Gemeinsam in den Fußball-Abgrund

Auf den ersten Blick gibt es vielleicht nicht so viele Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Italien. Dafür sind einfach ein paar Gegensätze vorhanden, die nicht so leicht zu überwinden sind. Die Spitzenpolitiker Giorgia Meloni und Olaf Scholz etwa trennt mehr, als sie vereint. Dennoch kommen sie auf europäischer Ebene relativ gut miteinander aus, weil vor allem Meloni sich mittlerweile als gewiefte Taktikerin erweist. Sie hat es aber auch innenpolitisch einfacher mit ihren gewählten Partnern, während der deutsche Bundeskanzler bei jeder Gelegenheit an einer Ampel warten muss. Grün, gelb und rot. Schneller, als es das Auge wahrhaben will, springen die Farben immer um. Sicherheitshalber bleibt Scholz deshalb oft einfach stehen.

Aber um die Politik soll es ja nicht gehen. Es geht um Fußball, um Calcio. Und da, bitteschön, ist man ja schon auf einen gemeinsamen Nenner gekommen. Freilich auf traurige Art und Weise. Der populärste Sport in beiden Ländern wird bald sowohl in Italien als auch in Deutschland in die Kategorie Fremdwörter eingegliedert werden. Was immer die Nationalmannschaften beider Nationen zuletzt boten, ist in jeder Beziehung total unterirdisch.

Die Seniorenteams -und mitunter spielten sie so, dass die Bezeichnung absolut zutreffend ist – verweigern sich in steter Regelmäßigkeit erhöhter Aufmerksamkeit. Italien fehlte zuletzt zweimal bei einer Weltmeisterschaft. Einmal war Schweden 2018 Spielverderber und für 2022 dann Nordmazedonien. Immerhin ist man vor zwei Jahren zum zweiten Mal Europameister geworden. Das war freilich nicht mehr als ein Zwischenhoch. An die Vergangenheit muss man Deutschland auch erinnern. Da war schon mal was, zuletzt gar ein WM-Titel 2014. Seitdem heißt das Angstwort &bdquo;Vorrunde“, denn in Russland 2018 und in Katar 2022 musste die Mannschaft jeweils nach drei Spielen die Heimreise antreten.

Deutschland (schwarz) unterlag England mit 0:2. © ANSA / YURI KOCHETKOV

Doch es gibt ja immer noch eine Hoffnung: Den Nachwuchs. Dachten beide Länder bislang. In der wichtigsten Kategorie – U21 – war die deutsche Auswahl zuletzt dreimal bei der Europameisterschaft im Finale. Zweimal hat sie sogar gewonnen und trat als Titelverteidiger in diesem Jahr an. Und auch Italiens junge Kicker gelten als extrem hoffnungsvoll. Lauter Talente, künftige Stars, hochgehandelte Juwelen der kickenden Zunft. Krachend scheiterten beide Teams bei ihrem Saisonhöhepunkt, der Europameisterschaft. Und zwar bereits in der viel zitierten Vorrunde. Die einen, Italien, knapp, die anderen, Deutschland, klar als Tabellenletzter sogar. Zwei große Fußballnationen, ihrem Selbstverständnis nach jedenfalls, bringen momentan nicht viel auf die Reihe. Jetzt spielen Israel und Georgien um den Titel. Dazu Frankreich, England und Spanien.

Olympia ist gestrichen Große Fußballnationen halt. Das frühe Ausscheiden hat für Italien und Deutschland auch noch einen dramatischen Nebeneffekt. Beide Länder dürfen dadurch nicht an den Olympischen Spielen nächstes Jahr in Paris teilnehmen. Und es gibt auch kein Schlupfloch mehr. Aus und vorbei. Man kann von Glück sprechen, dass dieses Olympische Fußballturnier eigentlich ein Randsport ist im Zeichen der Ringe. Es ist und sollte ja immer auch die Bühne für die sonst vernachlässigten Sportarten sein. Deshalb dürfen nur junge Spieler mitmachen, ergänzt von drei erfahrenen Recken. Im Grunde -und das hat der Internationale Fußballverband (FIFA) klug eingefädelt – ist es keine Konkurrenz zu einer Weltmeisterschaft.

Sandro Tonali ist ein großes Talent, muss bei Olympia aber wie seine Teamkollegen zuschauen. © ANSA / ALEX NICODIM

Dennoch ist Olympia natürlich ein zumindest kleiner Magnet und dass beide ehemals großen Fußballländer dort fehlen, ist ein weiteres Indiz dafür, dass augenscheinlich hier wie dort das System der Nachwuchsschulung nicht so greift, wie man das immer wieder propagiert. Aber es gibt kleine Lichtblicke. Die Teams, die noch jünger sind, trumpfen manchmal noch auf. Deutsche wie Italiener. U17 oder U20. Doch irgendwann, so ist der bleibende Eindruck, stockt der Schwung. Geht es zu früh um lukrative Verträge? Ist die Ausbildung doch mangelhaft?

Gescheiterte Initiativen Versuche, am Ball zu bleiben, gibt es in beiden Ländern. In Italien versucht man mit &bdquo;Territorialen Technischen Ausbildungszentren“ junge Fußballspieler und Fußballspielerinnen im Alter von 12 bis 14 Jahren zu schulen. Für Südtirol ist davon eines in Neumarkt. In Deutschland gibt es eine &bdquo;DFB-Akademie“, die sich, so steht es im Profil, &bdquo;um die Weiterentwicklung des Fußballs kümmert. Sie soll Dienstleister sein für 16 deutsche Nationalmannschaften. Das alles klingt immer so schön. Zu schön um wahr zu sein. Denn eigentlich ist es vielleicht auch viel einfacher. Wie sagte einst der legendäre deutsche Trainer Weltmeistertrainer von 1954, Sepp Herberger, der ein Künstler der Kurzweisheiten war: &bdquo;Das Runde muss in das Eckige.“ Und genau daran hapert es in Italien und in Deutschland. Jetzt ist erst mal Tristesse angesagt. Auf beiden Seiten des Brenners.

England feierte beim Sieg gegen Deutschland, während dieses sich nun selbst an die Nase fassen muss. © ANSA / YURI KOCHETKOV

Zum Glück muss sich die DFB-Auswahl für die Europameisterschaft im nächsten Jahr als Gastgeber nicht qualifizieren, weshalb der derzeit angebotene Rumpelfußball in den Freundschaftsspielen noch keine dramatischen Auswirkungen hat. Italien freilich muss durch die berühmte Mühle der Qualifikation, denn nur 23 Nationen plus Deutschland sind dabei. In der Gruppe der Azzurri befindet sich neben England und der Ukraine, die jüngst erst Unentschieden gegen Deutschland spielte.

Und Achtung: Auch Nordmazedonien. Der Spielverderber für die letzte WM in Katar. Hoffentlich geht diesmal alles gut, denn eines ist auch klar. Ein Match etwa Italien gegen Deutschland bei der Europameisterschaft würde vieles von dem, was zuletzt in Schieflage geraten war bei beiden Teams, vergessen lassen. Klassiker leben ewig. Und für eine gemeinsame Neuauflage wäre die Zeit mal wieder reif.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist (u.a. Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Sportpreis und Biathlon-Award), Buchautor und Eurosport-Kommentator, widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“, der gesamten Vielfalt des Sports und wildert gerne auch in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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Den Vorbildern leider folgend scheitert auch der wichtigste Fußballnachwuchs aus Italien und Deutschland bei der U21-Europameisterschaft schon in der Vorrunde. Es ist eine traurige Gemeinsamkeit.

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