Mit Austria-Pop zum Höhenflug

Ich leiste Abbitte. Mächtig sogar. Ich bin von einem ewigen Nörgler, der jedweden Ballsport in Österreich eher zweitklassig sieht - wobei auch die Handballer zuletzt mächtig aufgedreht haben - zu einem begeisterten Fan des österreichischen Fußballs geworden. Unfair ich weiß, denn es gab schließlich auch in der Vergangenheit ein paar Höhepunkte im kickenden Alpenland. Cordoba etwa mit dem Herrn Ingenieur Eddi Finger, der am Radiomikrophon &bdquo;narrisch“ wurde nach dem dritten Tor von Hans Krankl gegen Deutschland. Dabei ging es für die Österreicher damals um nichts mehr in diesem Match. Finger wollte deshalb schon gar nicht nach Cordoba reisen, sondern lieber einen netten Tag in Buenos Aires verbringen. Er flog dann doch. &bdquo;Der Papa hatte schon immer so ein Bauchgefühl“, erzählte sein Sohn später.

Auch ein Edi übrigens. Der Junior. Ich war mit ihm auf einigen Terminen als Reporter unterwegs. &bdquo;I wear narrisch“ wurde danach sogar Klingelton auf den Handys und der Herr Finger Senior eine Legende. Abgestraft wurden die überheblichen Piefkes, denn sie hätten 5:0 gewinnen müssen damals, um im Wettbewerb zu bleiben. Der damalige DFB-Präsident Herbert Neuberger meinte vor dem Spiel, dass es ja wohl möglich sei, fünf Tore gegen Österreich zu schießen. Hochmut und so weiter… Es war ein tiefer Fall für den Weltmeister. Ein solcher Satz wird vom jetzigen Präsidenten des Fußballverbandes, Bernd Neuendorf, garantiert nicht mehr fallen, denn Österreich hat auf dem Fußballplatz aufgeschlossen zu Deutschland und ist mindestens ebenbürtig geworden (siehe 2:0 Sieg in einem Vorbereitungsspiel).

Marcel Sabitzer war gegen die Niederlande der gefeierte Held. © APA / GEORG HOCHMUTH

Und das ÖFB-Team hat bei der Europameisterschaft eine sogenannte &bdquo;Hammergruppe“ gewonnen vor Frankreich, Niederlande und Polen. Chapeau. Und das nicht zufällig, nein eher sehr gefällig. Technisch versiert mit gutem Kurzpassspiel, frühem Pressing, hohem Anlaufen und schier unermüdlicher Laufbereitschaft. Und kämpferisch wie weiland Franz Klammer, als er 1976 wie der Teufel die olympische Abfahrt am Patscherkofel gewann. Mehrmals schien er in die Holzzäune der Streckenumrandung zu fliegen und balancierte wagemutig sturzgefährdet auf einem Ski. Unvergesslich einfach. Wie Cordoba zwei Jahre später.

Aus Ruinen auferstanden Dabei ist der Fußball in Österreich oft auch aus Ruinen wiederauferstanden. Bei der Qualifikation für die Europameisterschaft 2000 verlor das Team von Herbert Prohaska (jetzt ohne Schneckerl TV-Experte beim ORF) gegen Spanien 0:9. Schon zur Halbzeit hatten die Iberer fünfmal getroffen, was Verteidiger Toni Pfeffer zu folgender wagemutiger Prognose in der Pause verleitete: &bdquo;Hoch werd` mas nimma gwinnen.“ Er sollte recht behalten. Es war übrigens nur die zweithöchste Schlappe Österreichs in der Geschichte. 1908 verlor man mal gegen England 1:11. Aus und vorbei.

Mittlerweile, das ist so gut wie verbrieft, würde Englands laue Kickertruppe mit flauen Gefühlen den österreichischen Kollegen gegenüberstehen, die zudem die seltene Begabung mitbringen, dem Fußball auch noch eine gewisse Leichtigkeit mitzugeben. Mit Selbstironie und einer gehörigen Portion Schmäh stellt sich das ÖFB-Team der Gegenwart und der Zukunft mit einem süffisanten Ausflug in die Vergangenheit. Pfeffers Spruch ist die erste Textzeile im aktuellen EM-Song der Österreicher. Die Gruppe &bdquo;AUT of ORDA“ hat mit Mitgliedern der Nationalmannschaft (auch der deutsche Nationaltrainer Ralf Rangnick hat mitgesungen) einen Gassenhauer produziert, ganz im Stil des unverwechselbaren und wunderbaren österreichischen Liedgenres &bdquo;Austria-Pop“.

Auch ÖFB-Trainer Ralf Rangnick befand sich in Feierlaune. © APA / GEORG HOCHMUTH

Ein kurzer Auszug zeigt, wie herrlich lässig die eigenen Klischees auf den Arm genommen werden können. &bdquo;Wenn wir gewinnen, freuen wir uns. Wenn nicht, dann fahren wir eben wieder Ski.“ Selbstironie ganz fein gestrickt aber momentan nicht ganz ungefährlich, denn mittlerweile sind die Schweizer im Winter meist vorne. Wolfgang Ambros hat plötzlich ordentlich Konkurrenz bekommen. &bdquo;Schifoan“ ist vielleicht jetzt nicht mehr &bdquo;des´leiwandste, wos ma sie vurstöll´n ko.“ Der Bolzplatz könnte eine Renaissance erleben. Der Torschütze zum 3:2, Marcel Sabitzer, nach genialem Pass von Christoph Baumgartner, hat schon seine eigene Hitparade aufgestellt. &bdquo;I am from Austria“ ist seine Nummer eins. Dann folgt &bdquo;Strada del Sole“ und dann schon der aktuelle Fußballsong &bdquo;Hoch gwimmas (n) imma.“

Rangnicks Einfühlungsvermögen Die ÖFB-Auswahl ist auf jeden Fall schon jetzt ein Gewinner in Deutschland, denn es ist wahrlich eine Europa-Auswahl, die im rot-weißen Leiberl auf dem Platz steht. Die Spieler von Ralf Rangnick kicken natürlich zuhause aber eben auch in Belgien, England, Dänemark, Deutschland, Italien, Niederlande oder Frankreich. Es ist das wohl größte Verdienst von Rangnick, aus dieser internationalen Gruppe eine verschworene Gemeinschaft geformt zu haben.

So hat er seinen Star David Alaba (Real Madrid) trotz Verletzung quasi als Teampsychologen eingebaut. Eine berührende Geste, die ankommt. Und auch die Tatsache, dass Rangnick dem Werben des FC Bayern München als Trainer eine Absage erteilt hat (&bdquo;ich bin noch nicht fertig in Österreich“) war mehr als nur eine Aufmunterung. Es mag sich angefühlt haben für den Verband und viele seiner Spieler wie ein Ritterschlag. Und so tritt die Mannschaft auch auf. Furchtlos mit gezogenem Schwert. Jetzt ist nur noch eine Frage offen, die ich einem Lied von Wolfgang Ambros entnehme: &bdquo;Wie wird des weitergeh´n?.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayerischen Sportpreises und nominiert für den renommierten Grimme-Preis), Buchautor, langjähriger Redakteur der Süddeutschen Zeitung und Kommentator seit der Gründung (1989) beim paneuropäischen Sender Eurosport, widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert auch gerne in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder bewusst provozierend. Immer auch mit einer persönlichen Note. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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Mit Austria-Pop zum Höhenflug

Der Fußball der österreichischen Mannschaft begeistert und wird durch den Sieg in der schweren Gruppe D bei der Europameisterschaft auch belohnt. Unser Kolumnist Sigi Heinrich ahnt, dass dabei auch das EM-Lied des ÖFB-Teams eine Rolle spielen könnte.

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