Maskenball mit Kylian Mbappé

Bald werden wir ihn wieder sehen, den Mann mit der Maske, wie ihn Alexandre Dumas der Ältere in seinem Roman &bdquo;Le Vicomte de Bragelonne“ beschrieben hat. Die Identität des Staatsgefangenen von König Ludwig XIV. aus Frankreich ist übrigens bis heute nie richtig geklärt worden. Tausend Gerüchte umschwirren den wohl berühmtesten Maskenmann. Noch immer. Filmisch war das Thema freilich stets eine willkommene Geschichte. Säbelfechten, Intrigen am Hofe, schöne Kostüme. Die bekannteste Inszenierung war wohl jene mit Leonardo di Caprio, Jeremy Irons, John Malkovich, Gérard Depardieu und Gabriel Byrne. Der lebenslang Inhaftierte damals (1669 bis 1703) soll übrigens ziemlich viele Vergünstigungen gehabt haben in seiner freilich lebenslangen Gefangenschaft. Er durfte sogar die Laute spielen.

Masken faszinierten schon immer und sie gehören zu unserem Kulturkreis. Sie sind furchterregend oder einschmeichelnd und lassen vor allem viel Spielraum für das wahre Gesicht dahinter. Es ist das unentdeckte Geheimnis, das uns schaudern lässt. In jedwede Gefühlsrichtung. Wir kennen Dämonenmasken. Gruselgestalten, die den Winter austreiben oder die farbenprächtige, elegante, unscheinbare und doch so wirkungsvolle Maske beim Karneval, die auch ein begehrtes Souvenir ist. Und waren wir nicht alle schon vor gar nicht so langer Zeit auch Gefangene eines Virus, das uns sogar zur Maskenpflicht verdonnerte? Wir sind längst Maskenspezialisten geworden.

Die Nase der Nation Und nun schickt sich, Zufall oder eben doch nicht, wieder ein Franzose an, ein bedeutender Maskenmann zu werden. Vielleicht wird er sogar noch berühmter als sein Vorgänger vor mehr als 200 Jahren. Kylian Mbappé, der französische Wunderstürmer, hat sich nämlich einen Nasenbeinbruch zugezogen im Spiel gegen Österreich, wobei, um das noch einmal klar herauszustellen, keine Absicht seines Gegenspielers im Spiel war. Es war, &bdquo;mon Dieu“, ein Malheur, ein kleines Unglück. Aber es war natürlich auch filmreif. Blut tropfte, eine ganze Nation wankte und griff sich an die Nase. Ein Drama. Operation. Vollnarkose. Titel ade. Doch gemach. Es schlägt die Stunde der Spezialisten.

Kylian Mbappé musste leiden. © APA/afp / KENZO TRIBOUILLARD

Maskenbildner sind gefragt, damit Mbappé, falls sich der Eingriff mit dem scharfen Skalpell verschieben lässt, doch noch bei dieser Europameisterschaft eingesetzt werden kann. Und dann, ahne ich, wird der Blätterwald großflächig den Mann mit der Maske abbilden. Vor allem eben die Maske. Sie wird quasi das Gesicht dieser Europameisterschaft werden. Hinter einer-vermutlich-schwarzen Umrandung werden wir funkelnde und lebendige Augen suchen und vielleicht ein teuflisches Grinsen. Wir wissen es ja nicht. Aber vielleicht wird die Maske gar nicht schwarz sein, was natürlich diese Geschichte völlig zerstören würde.

Um die Qualität des Rundumnasenschutzes mache ich mir indes keine Sorgen. Frankreichs Theaterlandschaft gehört zu den vielfältigsten in Europa. Die Ausbildung ist exzellent für Schauspieler und Requisiteure. Und eine Maske ist ja bitte nicht nur ein Accessoire, sondern im Fall des Kickers aus Frankreich natürlich eine Prothese. Irgendwie. Sie stützt und schützt. Natürlich sind damit Kopfballduelle tabu, wobei das im Fall des flotten Franzosen nicht so tragisch ist. In seiner Karriere hat er nur 12 Kopfballtore erzielt. Das sind vier Prozent seiner Gesamtausbeute. 243 schoss er mit dem rechten Fuß, 62 mit dem linken. Dabei ist übrigens kein einziges Freistoßtor.

Mbappé als Protagonist Das hätte ich ganz ehrlich auch nicht gedacht. Wurde Kylian Mbappé schon bislang erhöhte Aufmerksamkeit zuteil, so wird das, wann immer der nächste Auftritt bei den Titelkämpfen in Deutschland möglich sein wird, ein Maskenball der Superlative werden. Dabei meint es der Zeitplan günstig. Am Freitag erst am Abend spielt Frankreich gegen die Niederlande und am kommenden Dienstag dann gegen Polen. Zeit genug für Mbappé, um sich an die Maske zu gewöhnen. In aller Ruhe. Mein Tipp: Ein Video. Das Phantom der Oper, ein Musical von Andrew Lloyd Webber und Richard Stilgoe, das auf dem Roman &bdquo;Das Phantom der Oper“ von 1911 des Franzosen Gaston Leroux basiert. Die Motivation dazu sollte vorhanden sein. Es ist das erfolgreichste Musical aller Zeiten und das Phantom trug nur eine halbe Maske…

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayerischen Sportpreises und nominiert für den renommierten Grimme-Preis), Buchautor, langjähriger Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und am Mikrophon seit der Gründung1989 des paneuropäischen Sportsenders Eurosport. In seiner Kolumne &bdquo;Sigi`s Spitzen“ widmet er sich der gesamten Vielfalt des Sports und wildert darüber hinaus auch gerne in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder bewusst provozierend. Dabei stets mit persönlicher Note. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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Maskenball mit Kylian Mbappé

Vermutlich wird der erste Auftritt des französischen Superstars nach seinem Nasenbeinbruch ein besonderes Spektakel werden, das unseren Kolumnisten Sigi Heinrich an viele andere Geschichten französischer Schriftsteller erinnert, die alle mit einer Maske zu tun hatten.

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