Kolumne | Die Spur des Geldes führt in die Wüste

Die Wüste lebt. Und wie. In zehn Jahren wird sie sogar zum Tummelplatz für Fußballfans aus aller Welt werden, denn – man glaubt es kaum- denn dann werden die besten Kicker dieses Planeten ihre Sandalen anlegen und um den Weltmeistertitel kämpfen. Alle Mitglieder des Internationalen Fußball-Verbandes (FIFA) haben die Idee des großen Vorsitzenden Gianni Infantino, die WM 2034 nach Saudi-Arabien zu vergeben, treu ergeben und ohne rot zu werden, abgesegnet. Virtuell. Kontrolliert. Gerade so, als habe man ihnen schon eine ordentliche Portion Wüstensand in die Augen gestreut. Oder weicht man gar dem Klimawandel aus mit den vielen Überschwemmungen, Feuersbrünsten, Trockenheit, Energiemangel, Artensterben, Gletscherrückgang.

Bleibt jetzt wirklich nur noch die Wüste, wo schon beim Anstoß der Schweiß von der Stirn tropft, ohne auch nur einen Schritt getan zu haben? Wir ahnen, dass die Veränderungen der Welt die Fußballfunktionäre nicht beeinflusst haben, weil ja nicht einmal Themen wie Menschenrechte Gehör finden. Oder vollstreckte Todesstrafen. Damit will man sich nicht beschäftigen, obwohl es dramatisch sein soll und immer noch hochaktuell laut Amnesty International. Unwichtig.

2024 wird die Fußball-WM in Saudi-Arabien stattfinden. © APA/afp / HAITHAM EL-TABEI

Das Gas und das Öl der Saudis sind wichtig. Schließlich wollen wir keine kalte Bude haben, wenn dann natürlich wieder im Winter, wie erst neulich in Katar, der Ball rollt und bunt gekleidete Menschen im Strafraum, einer besonders umkämpften Zone auf dem Platz, im Abseits stehen und dabei von überdimensionalen Klimageräten mit kalter Luft umnebelt werden. Auf den Tribünen fächeln sich derweil Menschen in seltsamen Gewändern eine frische Brise ins Gesicht und die Freunde von Gianni -ja er hat augenscheinlich viele- sitzen auf besonderen Stühlen mit goldenen Armlehnen.

Und was machen wir? Seien wir ehrlich. Wir regen uns kurz auf, wenn überhaupt, holen dann die Chipstüte aus dem Schrank und ein Bier aus dem Kühlschrank und warten voller Vorfreude auf den Anstoß. Für zwei Stunden (Spielzeit, Pause, Nachspielzeit, Vorberichte) scheren wir uns einen Teufel um die armen Seelen, die in Saudi-Arabien mit den Entscheidungen und Richtlinien des Königshauses nicht einverstanden sind und deshalb ein wenig in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt werden. Manche bis zum Verlust des Lebens.

Die Spur des Geldes Immerhin bleibt Infantino der Devise seiner Organisation treu, in erster Linie der Spur des Geldes zu folgen und auch treuen Freunden immer wieder einen Gefallen zu tun. Und all die kleinen Infantinos in den Landesverbänden wollen auch von möglichen Vorteilen partizipieren oder zumindest keine Nachteile in Kauf nehmen. Deshalb reduzieren sich ihre Bewegungen bei großen Entscheidungen auf eben dieses einfache Kopfnicken. Es gäbe dafür aus dem Tierreich noch eine wohlfeile Bezeichnung, die ich aber dank einigermaßen erfolgreich durchlaufener Kinderstube jetzt ihrer Phantasie überlasse.

Die FIFA wird die Kritik an der Vergabe der WM 2034 nach Saudi-Arabien nicht tangieren. Man hat auch damals, unter Sepp Blatter als Generalsekretär und Joa Havelange als Präsidenten, die Weltmeisterschaft in Argentinien 1978 während der Militärjunta tadellos überstanden. Von 1976 bis 1983 wurden 30.000 Menschen in Argentinien verschleppt, gefoltert und umgebracht. Der Gastgeber wurde Weltmeister. Die FIFA jubelte. Lernen aus der Vergangenheit ist definitiv keine Tugend der Mächtigen, zu denen in seinem Metier eben auch FIFA-Präsident Gianni Infantino gehört.

Dass die Titelkämpfe vier Jahre zuvor (2030) auf drei Kontinenten (Südamerika, Afrika und Europa) ausgetragen werden, zeigt nur noch einmal in aller Deutlichkeit, dass Infantino in erster Linie alles unternimmt, um möglichst elegant möglichst viele Stimmen für seine Vorhaben zu sammeln. Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Klimaschutz gar. Für Infantino und seine Vasallen ist das nur Ballast.

Hauptsache der Ball rollt und mit ihm der Rubel als Synonym für sprudelnde Geldquellen, womit wir wieder in der Wüste wären, wo Gas und Öl aus den Tiefen im Persischen Golf gewonnen wird und so viel unermesslichen Reichtum generiert, dass aus der Wüste nun grüne Fußballfelder werden können. Und ich gehe jede Wette ein, dass eines vielleicht nicht einmal allzu fernen Tages auch Olympische Spiele in Saudi-Arabien ausgetragen werden. Die Fußball-WM ist nämlich nur eine Zwischenmarke auf dem Weg zu Olympia.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayerischen Sportpreises oder nominiert für den renommierten Grimme-Preis), Buchautor, langjähriger Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und seit 1989 Kommentator bei Eurosport, widmet sich in seiner wöchentlichen Kolumne der gesamten Vielfalt des Sports. Mit schmunzelndem Augenzwinkern, nachdenklich oder auch bewusst provozierend wildert er auch gerne in gar nicht so fremden Gefilden. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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Kolumne | Die Spur des Geldes führt in die Wüste

Mit beinahe diktatorischem Gehabe und einer virtuellen Abstimmung hat FIFA-Präsident Gianni Infantino die nächsten Fußball-Weltmeisterschaften für 2030 und 2034 vergeben. Unser Kolumnist Sigi Heinrich stellt dabei fest, dass Infantinos Herrschaft von keinem Landesverband in Frage gestellt wird.

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