Ein seltsamer Corona-Kick

Ein wenig stört sie schon, die Drohne, die über dem Stadion schwebt. Aber sie ist notwendig, denn sie ist einzig und allein das Instrument, das dieses spezielle Fußballspiel überträgt. Kein Kameramann ist im Stadion mit seinen gewaltigen Objektiven, keine Offiziellen sind auf ihren schönen Plätzen. Zuschauer sowieso nicht. Nicht einmal Trainer durften diesmal auf ihren Werbesitzen Platz nehmen. Nur 22 Spieler sind auf dem Rasen. Niemand sonst. Und über allen wacht die Drohne mit ihren elektronischen Augen. Es ist das ultimative Coronamatch. In einem Tor steht Manuel Neuer vom FC Bayern, der nur leichte Symptome hat. Er war mal kurz auf den Malediven, weil Reisen im Moment ja sehr en vogue ist. Angesteckt. Im normalen Spielbetrieb kann er freilich nicht eingesetzt werden. Er wird den Münchnern fehlen. Auf der sehr laufintensiven Position des Sechsers kickt Joshua Kimmich mit. Doch der kampfstarke und konsequente Spieler steht nur ziemlich müde wirkend an seinem Arbeitsplatz. Die Lunge, die leicht in Mitleidenschaft gezogen wurde von Corona, erlaubt noch keine Sprints und auch kein Nachgrätschen zur Balleroberung. Kimmich war ein Impfverweigerer. Angesteckt. Das Match ist deshalb von der Drohne leicht zu verfolgen. Der Ball – es steht nur einer zur Verfügung- rollt eher langsam von einem Spieler zum anderen, weshalb auch Lionel Messi kein Problem hat bei der Ballannahme. Allerdings ist es einfach diesmal, denn es steht ihm kein Gegenspieler auf dem Fuß. Es ist fast wie weiland mit Franz Beckenbauer, als man im Mittelfeld ruhig und gemütlich den Ball unter Kontrolle bringen konnte, um sich dann noch unbedrängt nach einem Mitspieler umzuschauen. Messi war mal kurz in Argentinien wie immer um diese Jahreszeit und hat ordentlich gefeiert. Angesteckt. Neben ihm steht Andrej Kramaric von der TSG Hoffenheim. Der war in Topform, als er mit seiner kroatischen Nationalmannschaft spielte. Reisen ist gefährlich in diesen Tagen. Angesteckt. Deshalb steht auch Kingsley Coman auf dem Platz. Er war in Dubai über die Feiertage. Angesteckt. Schade, denn er und Messi hätten sicherlich für ordentlich Trouble gesorgt. Steilpässe gibt es glücklicherweise nicht. Ist grad nicht drin. Körperlich gesehen. Forsche Dribblings bleiben deshalb auch aus. Die gegnerische Mannschaft besteht übrigens ausschließlich aus Spielern von der iberischen Halbinsel. Zehn alleine vom FC Barcelona, der trotzdem sein Match gegen Real Mallorca austragen musste, was den neuen Trainer und Hoffnungsträger Xavi schier zur Weißglut brachte. Er forderte eine Spielverlegung, die indes abgelehnt wurde. Dank einer überragenden Reaktion von Torhüter Andre ter Stegen in der Nachspielzeit gewann Barcelona 1:0. Ursprünglich war Jürgen Klopp für die Aufstellung eines Teams vorgesehen gewesen, doch in England wütet das Virus und lässt ein Spiel nach dem anderen zur Farce werden, weil kaum noch ein Verein auf alle Spieler zurückgreifen kann. Klopp hat Corona mit leichten Symptomen. Drei seiner Schutzbefohlenen, darunter auch Torhüter Allison Becker, standen für das Match gegen Chelsea, das 2:2 endete, wegen positiver Tests auch nicht zur Verfügung. Becker hatte deshalb Zeit für das Coronaspiel. Einen Handschlag mit Manuel Neuer gab es dennoch nicht. Abstand halt. Auch wenn das jetzt schon zu spät ist. Diese Darts-WM in London ist eine Coronaschleuder. Sigi Heinrich In der Premier-League fiel übrigens das Spiel von Leicester City gegen Norwich aus. Die Coronalage bei Norwich war katastrophal. Und was tat der englische Nationalspieler James Maddison von Leicester an seinem überraschend freien Tag? Er ging mit ein paar Kumpels zur höchst umstrittenen Darts-WM ins &bdquo;Ally Pally“. Dort soll er, so wird berichtet, vor einem bierseligen Publikum – volle Halle mit 3000 Fans – einen Plastikbecher mit Hopfensaft in einem Zug geleert haben. Helle Freude. Ein Traum. Nein, ein Albtraum, denn diese Darts-WM in London ist eine Coronaschleuder, die eigentlich längst hätte abgesagt werden müssen. Ein paar der besten Spieler haben sich das Virus bereits eingefangen. Aber wirtschaftliche Interessen siegten gegen jegliche Vernunft. Es ist und bleibt ein Jammer. Aber in England ist eben immer noch alles ein wenig seltsamer als auf dem Kontinent. Deshalb noch einmal ein Blick auf das Spiel der Spiele. Neuer hält gerade einen Schuss auf sein Tor. Gemächlich rollt der Ball in seine Richtung und um die Show zu wahren, fällt er um wie eine Bahnschranke und begräbt das Spielgerät unter sich. Lange. Er muss ja auch erst wieder zu Kräften kommen, denn mit so einer Coronaansteckung ist nicht zu spaßen. Sie kann, so ist täglich den Nachrichten zu entnehmen, sogar zum Tod führen. Aber daran denkt man als millionenschwerer Sportler natürlich nicht. Es verdichtet sich eher der Eindruck, dass sich die Kicker zu einer Elite zählen wollen, die in der Lage ist, das Virus und seine Varianten mit fetten Kontoauszügen in Schach halten zu können. Fehlanzeige. Es kann alle treffen. Alle. Wenn das die Impfgegner nur endlich begreifen würden. Dietrich Bonhoeffer, der von den Nazis ermordete Theologe, hat sich intensiv mit der Dummheit beschäftigt. &bdquo;Gegen die Dummheit“, sagt er, &bdquo;sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch mit Gewalt lässt sich hier etwas ausrichten. Gründe verfangen nicht.“ Dennoch glaube ich, dass es ein Mittel dagegen gibt. Es ist die Geduld derer, die sich der Verantwortung in diesen Zeiten bewusst sind. Und das ist zum Glück die Mehrzahl. Das Coronamatch endete übrigens torlos. Es war ein müder Kick, aber das bitte ist ja auch kein Wunder angesichts der Umstände.

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Ein seltsamer Corona-Kick

Die Coronasituation lässt auch unseren Kolumnisten Sigi Heinrich nicht zur Ruhe kommen. Er sieht nach einer schlaflosen Nacht ein Spiel, das es freilich nicht geben wird und nie gegeben hat, während die Darts-WM grausige Realität ist mit voller Halle und bierseligen Fans.

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