Der Supergau für den FC Bayern

Von Sigi Heinrich

Hauptsache spielen. Immer. Zu jeder Zeit, an jedem Tag, zu jeder Stunde. Corona wird elegant umspielt mit feinen Dribblings und supertollen Hygienekonzepten, die freilich zum Teil nur eine Farce sind. Von wegen nicht spucken oder sich nicht umarmen beim Torjubel. Abstand halten. Macht schon lange niemand mehr. Es ist wie früher. Nur Pausen gibt es nicht. Erholungszeiten, die jeder Leistungssportler dringend benötigt.

Über diese goldene und für jeden persönlich zukunftssichernde Maßnahme wird lässig hinweggesehen, um die Fernseheinnahmen nicht zu gefährden. Respektive die Verträge zu erfüllen, wenn schon keine Tickets verkauft werden dürfen. Schließlich gilt es, die horrenden Gehälter auch in der Pandemiezeit an die Angestellten weiter pünktlich zu überweisen. Und was benötigen die Klubs dafür am notwendigsten? Tore. Tore.

Robert Lewandowski war der Garant schlechthin dafür in den vergangenen Jahren beim FC Bayern München. In dieser Saison war er gar auf dem besten Weg, den schier für die Ewigkeit bestimmten Rekord von Gerd Müller von 40 Treffern zu erreichen. Aus und vorbei. Man hat ausgerechnet, dass ihm vielleicht noch fünf Bundesligaspiele bleiben werden, um die noch fehlenden fünf Tore zu schießen. Wenn denn seine Verletzung auskuriert sein sollte gegen Ende dieser Spielzeit. Tore statt Ruhepause Denn Robert Lewandowski hat sich eine Bänderdehnung am Knie zugezogen bei einem Spiel, das Polen vermutlich auch ohne ihn gewonnen hätte. Es ging gegen den Fußballzwerg Andorra. Die Möglichkeit, ihm eine Pause zu gönnen, wäre demnach gegeben gewesen. Aber zwei Faktoren verhinderten dies. Zum einen ist das der nach wie vor ungebremste und auch vorbildliche Ehrgeiz von Lewandowski, der immer und zu jeder Stunde und Minute spielen will. Selbst Auswechslungen zehn Minuten vor dem Ende eines Spieles betrachtet er ja schon als Beleidigung. Und zum anderen wollte natürlich Polens Nationaltrainer Paulo Sousa auch gegen Andorra kein Risiko eingehen. Man weiß ja nie. Und Lewandowski ist in solchen Fällen so etwas wie eine Versicherung. Als er ausgewechselt werden musste, führte Polen ja auch mit zwei Toren. Natürlich von ihm geschossen.

Die Verletzung von Robert Lewandowski muss nicht zwangsläufig damit zusammenhängen, dass der Faktor Regeneration beim FC Bayern und auch bei anderen Vereinen zuletzt zu kurz kam. Es ist aber auch klar, dass die Terminhatz die körperlichen Ressourcen stärker belastet, als das viele glauben. Dazu kommt zusätzlicher Reisestress, den die Münchner hinnehmen mussten, zumal sie etwa auch noch die Klub-Weltmeisterschaft spielen wollten. Es wurde der sechste Titel in einer Saison. Dass jetzt Ungemach droht ist klar, denn der FC Bayern hat keinen gleichwertigen Ersatz, den es im Fall Lewandowski auch gar nicht geben kann. In der wichtigsten Phase fällt der Torjäger aus. Warnungen, dass ein solches Szenario kommen könnte, gab es im Vorfeld genug, aber es liegt wohl in der menschlichen Natur, dass man dies so lange verdrängt hat wie möglich. Es ist ja bislang ganz gut gegangen. Neue Herausforderung für Hansi Flick Es wird jetzt spannend sein zu verfolgen, wie die Münchner die neue Situation meistern werden. Trainer Hansi Flick ist schon wieder gefordert. Dass er bislang noch alle Herausforderungen beim FC Bayern seit seiner Amtsübernahme genial lösen konnte, dürfte an der Säbenerstraße für eine gewisse Beruhigung sorgen. Dem Hansi wird schon was einfallen. Klar ist aber auch – und so sind die Gesetze der Wildnis – dass die Konkurrenz jetzt verstärkt Chancen wittert. Das ist nicht verwerflich, sondern eine im Sport normale Reaktion. Allerdings muss man erfahrungsgemäß auch damit rechnen, dass der personell nun angeschlagene FC Bayern mit der ganzen Breite seines Kaders auch aus der Deckung heraus kräftig austeilen kann. Das erste Match nach der Länderspielpause gegen RB Leipzig wird deshalb schon ein richtungsweisendes sein. Für den FC Bayern, ja für den gesamten weiteren Verlauf der restlichen Saison. Es wird ein Schlüsselspiel werden. Für alle.

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