Boykott – Wenn Sportler zu Schachfiguren werden

Menschrechtsverletzungen, gewaltsame Unterdrückung von Minderheiten und der Zwist um Taiwan. Der von den Vereinigten Staaten ausgerufene Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking trägt viele Namen. Die Regierung um Joe Biden will durch Symbolik ein klares Zeichen setzen und demnach keine diplomatischen Vertreter zum Großereignis entsenden. Damit wird nicht nur auf das Fehlverhalten Chinas aus den vergangenen Jahren reagiert, sondern sogar auf jenes der letzten Jahrzehnte.

Peking stand nämlich bereits 2008 im internationalen Rampenlicht. Der Fokus würde den Staat zum Handeln zwingen, eine Besserung sei absehbar, hieß es damals seitens des IOC. Verändert hat sich seitdem jedoch nichts – ganz im Gegenteil. Nun hat die USA von ebenjenem Rampenlicht genug und zieht einen Schlussstrich. Die Spiele werden boykottiert.

Das weckt Erinnerungen an die 1980er Jahre, der Endphase des Kalten Krieges. Als Sport nicht nur politisch war, sondern die Sportler selbst wie Schachfiguren angesehen wurden und nur dem Ansehen der politischen Oberhäupter zuspielten und nutzten. Auch wenn die Athleten dieses Mal wohl vom Boykott verschont bleiben, birgt die Aktion einen faden Beigeschmack. Sport und Vertuschung – Ein teuflisches Duo China prägt – ähnlich wie Katar bei der Fußball-WM 2022 – den Begriff des Sportwashings. Dies ist ein Ausdruck dafür, wenn Sport von autoritären Staaten dazu genutzt wird, den eigenen Ruf aufzupolieren und Missstände zu vertuschen. Das Vorspielen einer heilen Welt funktionierte bereits 2008, warum also nicht auch 14 Jahre später? China will sich in Februar von seiner besten Seite zeigen. © ANSA / ROMAN PILIPEY / STF

Mit dem Boykott soll dieser Schein nun entlarvt werden. Bereits 1980 waren die USA treibende Kraft beim Boykott der Sommerspiele von Moskau. Damals war der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan einer der Gründe für diese Entscheidung gewesen.

Im Vergleich zu den heutigen Verhältnissen gab es aber einen bedeutenden Unterschied. Auch die Athleten und Athletinnen waren vom Boykott betroffen und durften nicht am Großereignis teilnehmen. Die Essenz der Olympischen Spiele – das Miteinander – wurde unter dem Deckmantel der Bewahrung des Weltfriedens gespaltet und damit selbst zum Politikum. Athleten setzen sich zur Wehr Vier Jahre später wurde der Spieß umgedreht. Bei den Spielen von Los Angeles war es der Warschauer Pakt, allen voran die Sowjetunion, der zum Boykott aufrief. Das internationale Großereignis, welches sich den Werten der Zusammenkunft versprochen hat, wurde zur Farce. Und die eigentlichen Helden, deren Karrierehöhepunkt leichtfertig als Druckmittel verwendet wurde, sahen ihren Traum zu Staub zerfallen.

Während im Fußball der Fehler noch bei den Sportlern gesucht wird und deren individuelle Nicht-Teilnahme in Katar seitens großer Teile der Gesellschaft gefordert wird, ist die Diskussion bei den Olympischen Spielen eine andere. Für die Symbolik ist die Politik zuständig. Regierungen dürfen den Sport zwar als Bühne nutzen, aber nicht auf Kosten derer, welche auf diesen Moment ihr Leben lang hinarbeiten. ÖSV-Ass Vincent Kriechmayr bezog deutlich Stellung. © APA/afp / MARCO BERTORELLO

Letzten Endes können die teilnehmenden Protagonisten nämlich nichts für die Auswahl des Austragungsortes. Vincent Kriechmayr brachte die Missstände Anfang Dezember treffend auf den Punkt: &bdquo;Ich würde für Olympische Spiele sogar nach Nordkorea fliegen. Schließlich kann ich nichts dafür, wenn das IOC das wichtigste Großereignis in unserem Sport an solche Orte vergibt!“

Der Kampf der Großmächte wird auf vielen Ebenen gefochten – so auch im Sport. Ob die Politik der Zeichen und Symbole auch seine Wirkung zeigen wird oder doch nur ein Akt der Verzweiflung ist, bleibt abzuwarten. Die Athleten dürfen sich zumindest ihren Traum erfüllen. Auch wenn die Vertreter ihres Landes ihnen dabei nicht applaudieren.

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