„Den einheimischen Spielern mehr Gewicht geben“

Sie sind seit vergangenen Sommer Geschäftsführer des HC Pustertal. Wie sehr gefällt Ihnen Ihre neue Aufgabe?

Jochen Schenk: Mir gefällt die neue Aufgabe ausgezeichnet. Ich bin im Sport aufgewachsen. Zuerst als Aktiver, danach als Funktionär. Jetzt habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Es war ein spannendes, herausforderndes erstes Jahr. Mit Eishockey hatte ich schon als kleiner Bub erste Kontakte. Ich war Fan des EV Bruneck. Vor 35 Jahren habe ich dann in der 1. Ausgabe der Sonntagszeitung Zett den Bericht über das Spiel zwischen Bruneck und Alleghe verfasst und bin seit damals dem EVB bzw. HCP eng verbunden. So war ich der Vorgänger von Patrick Kirchler als Pressesprecher und danach Mitglied des Verwaltungsrats. Nach dem Rücktritt von Präsident Robert Pohlin im Frühjahr 2020 wurde ich ehrenamtlicher Geschäftsführer. Seither hat sich Patrick Bona um die sportlichen und ich mich um die organisatorischen und wirtschaftlichen Belange des Vereins gekümmert.

Wo haben Sie in den vergangenen Monaten besonders die Hebel angesetzt?

Da ich bereits vorher als ehrenamtlicher Geschäftsführer gearbeitet habe, war es für mich nichts Neues. Seit ich es hauptberuflich mache, war die Arbeit intensiver. Ich hatte mehr Zeit fürs Organisieren und habe unter anderem die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Partnern verbessert. Zudem muss ich mich jetzt Bereichen widmen, die vorher einfach zu kurz gekommen sind.

Jochen Schenk blickt auf die HCP-Saison zurück.

Wie sehr haben Sie den Halbfinal-Einzug genossen?

Das Erreichen der Vorschlussrunde habe ich sehr genossen. Vor allem die Art und Weise, wie wir im Pre-Play-off gegen Laibach und danach im Viertelfinale gegen Fehervar gespielt haben. Solche entscheidenden Spiele haben wir in Vergangenheit oft verloren. In dieser Phase der Meisterschaft haben wir das ganze Tal mitgenommen: Die Fans, Mitarbeiter, Sponsoren und Partner. Es war eine große Genugtuung. In nur einem Monat hat sich mit einem Schlag alles verändert und die Stimmung ist gekippt: Von pessimistisch hin zu optimistisch.

Seit dem letzten Meisterschaftsspiel des HCP sind genau 4 Wochen vergangen. Wie fällt Ihr Fazit nach der 3. Saison des HC Pustertal in der ICEHL aus?

Das Ergebnis war gewaltig und ist schwierig zu wiederholen, geschweige denn zu toppen. Die Saison war sehr schwierig und hat teilweise weh getan. Wir hatten aufgrund von Eigenverschulden und Verletzungen blöde und unglückliche Phasen. Wir haben mehrere Spiele unnötig verloren. Während der Saison habe ich mehrmals alles hinterfragt. Irgendwann hat keiner mehr an uns geglaubt. Wir sind phänomenal in die Saison gestartet, hatten einen Hänger und zum Glück ein Happy End. Trotz allem war es eine Saison voller Zweifel und Unsicherheiten. Dem Druck von außen standzuhalten, war eine der größten Herausforderungen. Der schwierigste Moment war im Dezember, als wir alle 6 Heimspiele verloren haben. Das war eine Katastrophe.

In dieser Phase war mit Sportdirektor Patrick Bona der Sündenbock schnell ausgemacht. Konnten Sie die Kritik an seiner Person verstehen?

Nein. Keinesfalls. Die Kritik an der Leistung der Spieler wäre vielleicht gerechtfertigt gewesen. Dass es aber an einer einzigen Person festgemacht wird, war nicht richtig und nicht akzeptabel. Als die Leistungen gepasst haben, hat man nichts gehört: Kritisieren ist einfach, loben aber nicht. Patrick hat ausgezeichnete Fähigkeiten und exzellente Kontakte in die Eishockey-Welt. Dabei ist er noch am Anfang seiner Karriere in dieser Funktion. Wir haben aber reagiert.

Inwiefern?

Wir haben ein neues Team gebildet, damit die Arbeiten im sportlichen Bereich auf mehrere Schultern verteilt sind. Patrick Bona ist weiterhin verantwortlich für die Kaderplanung. Mit Armin Hofer haben wir einen ehemaligen Vorzeigeprofi des HCP mit ins Team geholt, der sich vor allem um die jungen einheimischen Spieler kümmern wird, unterstützt von unserem Athletiktrainer Renè Baur. Als Vertreter des Verwaltungsrats ist Matthias Harrasser in der Gruppe. Mit Keith Sullivan haben wir seit 3 Jahren auch einen ehemaligen NHL-Scout in unserem Team. Dieser sitzt in Kanada und ist ein wertvoller Berater für uns. Das alles wird von mir koordiniert. Ich bin sicher, dass wir in dieser Gruppe enorme Kompetenz haben und auch hier einen weiteren Schritt zur Professionalisierung gemacht haben. Zusammen mit unseren Farmteams Sterzing und Brixen haben wir klare Ziele, die mittelfristig zum Erfolg führen werden, davon bin ich überzeugt.

Was hätte man besser machen können?

Wir haben Vieles richtiggemacht, wissen aber, dass man immer etwas besser machen kann. Schließlich kann man gute Sachen noch besser machen. Verbessern können wir zum Beispiel die Begleitung und Förderung der einheimischen Spieler, die in diesem Winter sehr wichtig waren. Wir sind als Marke gewachsen und haben überall, egal ob bei Sponsoren oder Zuschauern Zuwächse verzeichnet. Ein Schwachpunkt war sicherlich die Spielerentwicklung. Jedes Training war nur auf das nächste Spiel aufgebaut. Und auch die Trainingsintensität war nicht so, wie von uns gewünscht.

Was war Ihr persönliches Highlight?

Da fallen mir spontan 2 Dinge ein: Zum einen Spiel 3 im Pre-Play-off gegen Laibach, als Rick Schofield in der Verlängerung den Siegtreffer erzielt hat, zum anderen der Sonderzug am 6. Jänner und die ausverkaufte Arena in Bozen. Mit dem Sonderzug haben wir eine Message über die Landesgrenzen hinaus gesendet und haben viele Rückmeldungen dafür erhalten.

Matthias Mantinger hat heuer überzeugt. © Leo Holzknecht / GEPA pictures/ Gintare Karpaviciute

Welcher Spieler hat Sie überrascht und welcher hat Sie enttäuscht?

Überrascht haben mich 3 Spieler: Matthias Mantinger, der eine Super-Saison gespielt hat, Leonhard Hasler, der da war, als wir ihn gebraucht haben und seinen Job bestens erledigt hat, sowie Christian Kasastul, der viel besser gespielt hat, als ich mir erwartet habe. Enttäuscht haben mich über weite Strecken mit Ausnahme von Jacob Smith die Doppelstaatsbürger, die – aus welchen Gründen auch immer – sehr schwache Phasen gehabt haben.

War es im Nachhinein richtig, auf 2 italienische Torhüter zu setzen?

Auf alle Fälle. Andreas Bernard und Jacob Smith haben zwar vielleicht nicht so viele Spiele wie ihr Vorgänger Tomas Sholl im Alleingang gewonnen, sie hatten aber mit Fangquoten über 90 Prozent großen Anteil am Erfolg der Mannschaft. Und das, obwohl sie sehr oft von ihren Vorderleuten im Stich gelassen wurden. Beide sind super Typen und waren in der Kabine sehr beliebt. Sie haben uns mehr Möglichkeiten bei den ausländischen Feldspielern gegeben.

Der Verletzungsteufel ist mehrmals in der Pusterer Kabine eingekehrt und die medizinische Abteilung hatte alle Hände voll zu tun. Wie erklären Sie sich die vielen Ausfälle?

Die zahlreichen Ausfälle waren einfach nur Pech, weshalb wir nichts korrigieren müssen. Was die körperliche Vorbereitung der Spieler und die medizinische Versorgung angeht, sind wir top aufgestellt. Das Ärzteteam leistet seit Jahren ausgezeichnete Arbeit. Athletiktrainer Renè Baur sowie Physiotherapeut Helmut Seyr und sein Team sind immer da und arbeiten unermüdlich. Die Spieler sind begeistert.

„Enttäuscht haben mich über weite Strecken mit Ausnahme von Jacob Smith die Doppelstaatsbürger.“ Pustertal Geschäftsführer Jochen Schenk

Wie sehr hat sich die neue Steuerreform, die unter anderem eine Pensions- und Unfallversicherung für Spieler vorsieht, auf das Budget des HCP ausgewirkt?

Enorm. Zum einen ist der Aufwand viel größer geworden, zum anderen ist das Budget extrem gestiegen. Plötzlich mussten wir Arbeitsverträge mit Lohnstreifen machen, während unser Budget, das sich auf rund 3 Millionen Euro beläuft, um eine knappe halbe Million Euro angestiegen ist. Das größte Problem war, dass wir lange Zeit nicht gewusst haben, was auf uns zukommt. Wir hatten bereits im April oder Mai einige Verträge abgeschlossen und erst zu Saisonbeginn im Detail erfahren, welche Auswirkungen diese Reform mit sich bringen wird. Obwohl es schmerzt, finde ich es gut, dass es diese Reform gegeben hat. So haben vor allem einheimische und junge Spieler gemeinsam mit ihren Eltern gewisse Sicherheiten: Sie sind unfall- und rentenversichert wie jeder andere Arbeiter. Trotz der Play-off-Teilnahme haben wir keine schwarzen Zahlen geschrieben und werden mit den Spielergehältern in der kommenden Saison sorgfältiger umgehen müssen.

Die Intercable Arena war im vergangenen Winter mit 3104 Zuschauern 8 Mal ausverkauft. Im Schnitt verfolgten 2574 Fans die 30 Heimspiele. Zufrieden?

Absolut: So etwas muss man erst Woche für Woche, Spiel für Spiel leisten. Ich komme aus dem Eventmanagement und weiß, dass es jedes Mal eine wahnsinnige Herausforderung ist. Deshalb ein großes Dankeschön an die 80 bis 100 Leute, die pro Heimspiel mithelfen und einen unbezahlbaren Job ausüben.

Neues Spiel, neues Glück: Wird der HC Pustertal in der kommenden Saison erneut vorne mitspielen?

Wir werden auch im 4. Jahr versuchen, vorne dabei zu sein. Es wird aber eine verdammt schwierige Saison, da die Konkurrenz nicht schläft. Ich erwarte mit vor allem von Graz, Laibach und Wien, die zuletzt das Play-off verpasst haben, dass sie angreifen werden. Es wird eine Challenge, auf die wir uns freuen. Wenn wir die positive Stimmung mitnehmen können, dann können wir erneut eine wichtige Rolle spielen.

Jacob Smith zeigte in den Playoffs auf. © Hannes Draxler

In Bruneck gab es zuletzt einen großen Trainerverschleiß. Bei allen 3 bisherigen ICEHL-Teilnahmen wurde der Coach vorzeitig gewechselt. Geht man in der kommenden Saison auf Nummer sicher?

Das haben wir auch in den vergangenen Saisonen gemeint. Wir werden jedenfalls erneut versuchen, auf Nummer sicher zu gehen und mit einem Trainer längerfristig zusammen zu arbeiten. Schließlich ist Kontinuität sehr wichtig. Wir haben einige Kandidaten in der engeren Auswahl und ein klares Profil, was den neuen Trainer angeht. Er muss mit jungen Spielern arbeiten und die einheimischen Cracks weiterbringen. Wir suchen einen Trainer, der die europäische Eishockeymentalität kennt und über einen längeren Zeitraum bei einem Verein gearbeitet hat. Wir stellen uns einen jungen und fleißigen Trainer mit einem modernen Ansatz vor.

Wie weit fortgeschritten ist die Kaderplanung des HCP?

Wir sind erst am Anfang, aber im Soll. In den nächsten Tagen und Wochen erwarten wir uns einige wichtige Entscheidungen. Priorität hat der Trainer und dann werden wir gemeinsam mit ihm das Team zusammenstellen. Ganz wichtig für uns ist es, den Stamm der einheimischen Spieler zu bestätigen und um sie herum die neue Mannschaft aufzubauen.

Welche Ausländer der abgelaufenen Saison möchte man in Bruneck halten?

Alex Petan und Jason Akeson haben noch laufende Verträge. Schade, dass Christian Kasastul nach Finnland zurückkehrt. Joel Messner bekommt bei Fehervar mehr Geld. Bei den Stürmern stehen wir noch in Kontakt mit Rick Schofield und Mikael Frycklund.

Am Sonntag machte das Gerücht, die Runde, dass Tyler Coulter nach Bruneck kommen könnte. Ist der Kanadier ein Thema beim HCP?

Coulter ist ein Kandidat, mit dem wir auf einem guten Punkt sind. Der Mittelstürmer hätte den Vorteil, dass er die Liga kennt, da er bereits in Innsbruck gespielt hat.

Gibt es bereits ein Ziel für die Saison 2024/25?

Wir möchten erneut das Play-off erreichen. Wir werden alles daransetzen, dass wir es erneut schaffen können. Danach ist vieles möglich, wie wir heuer gesehen haben. Zudem wollen wir den einheimischen Spielern mehr Gewicht geben, da eine Zukunft nur mit ihnen möglich ist. Ziel ist es, den jungen Spielern zu zeigen, wie sie Profi werden können. Wir haben eine Akademie und ein Prospect Team, sowie eine gute Zusammenarbeit mit Sterzing und Brixen.

Am kommenden Sonntag beginnt in Bozen die WM der I. Division Gruppe A. Der HC Pustertal stellt die meisten Spieler. Stolz darauf?

Das erfüllt uns mit großem Stolz. Schließlich gab es auch andere Zeiten. Besonders freut es mich für die 4 Südtiroler des HCP, die es in den WM-Kader geschafft haben. Ich hoffe, dass die Eishockey-Begeisterung, die zuletzt in Südtirol herrschte, auch auf die WM überschwappt.

Was trauen Sie den &bdquo;Azzurri“ bei der Heim-WM zu?

Ich denke, dass alles möglich ist. Ich hoffe schon, dass der Aufstieg in die Top-Gruppe gelingt. Das wäre wichtig für die Zukunft des italienischen Eishockeys.

Interview: Kurt Platter

ICE Regular Season ICE	SP	TV	P
1. HCB Südtirol	12	46:25	30
2. Graz99ers	12	35:28	25
3. Fehérvár	11	33:16	24
4. EC Salzburg	11	43:33	23
5. Olimpija Ljubljana	12	31:30	21
6. HC Pustertal	14	50:49	21
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