#68: The Endless Spring

Über Jahrzehnte hinweg war der HC Bozen eng verbunden mit der legendären Spielstätte in der Romstraße, die Geschichten schrieb, die mittlerweile aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen: Tage vor den Spielen endlose Schlangen an den Kassenhäuschen. Jugendliche, die sich nach den öffentlichen Eiszeiten in den Toiletten versteckten, um keinen Eintritt zu bezahlen. Das Gedränge um die besten Plätze im Stadion. Die Rivalitäten auf dem Eis und auf den Rängen.

Dann kam der Umzug aus dem Herzen der Stadt in die periphere Industriezone, in diesen wuchtigen, kalten Betonbau in der Galvanistraße. Dass die Euphorie im Umfeld, die mittlerweile in der EBEL wieder entfacht wurde, anfangs noch am Leben gehalten wurde, lag in erster Linie an einer Person, vielmehr an einem Mythos: Jaromir Jagr.

Es war im Dezember 1994, Monate nachdem die Eiswelle bei der Weltmeisterschaft pompös eröffnet wurde, als der Tscheche während des NHL-Lockouts zum HC Bozen wechselte. Er sorgte auf Anhieb für blankes Staunen bei Südtirols Eishockeyfans.

7.000 kamen, um den &bdquo;Außerirdischen“ zu bewundern

Auf den ersten Blick schien er wie ein Junge, aus einem der umliegenden Dörfer. Schüchternes Auftreten, die roten Wangen, hoch getragene, enge Jeans und der damals trendige Vokuhila-Haarschnitt, der jenem von TV-Ikone MacGyver um nichts nachstand. Dieser unscheinbare 22-Jährige war allerdings bereits damals zweimaliger Stanley-Cup-Sieger und der große Senkrechtstarter in der besten Eishockeyliga der Welt.

In Südtirol löste Jagr in jenem Dezember einen ungeahnten Hype aus. Bozen hatte plötzlich einen Eishockey-Superstar in seinen Reihen, der für unzählige Anekdoten sorgen sollte. Zum einen war da seine Gage von 10.000 US-Dollar pro Einsatz, die jeweils unmittelbar nach Spielende an den Tschechen entrichtet wurde. Zum anderen die Geschichte mit Jagrs Rückennummer 68, die seinen im Prager Frühling umgekommenen Großeltern gewidmet war, bei seinen russischen Mitspielern Igor Maslennikov und Sergej Vostrikov allerdings auf wenig Verständnis stieß. Die Folge? Sie ignorierten sich auf und abseits der Eisfläche. Nichtsdestotrotz bleiben in erster Linie Jagrs sportlichen Auftritte in Erinnerung. Mit Toren, Vorlagen und wahren Kunststücken mit Schläger und Scheibe führte er Bozen zum Gewinn des Sechs-Nationen-Turniers. 7.000 Zuschauer in der Eiswelle waren völlig aus dem Häuschen.

Mit 43 immer noch eishockeyverrückt

Während sich beim HC Bozen seit jenem unvergesslichen Eishockeyabend vor 21 Jahren viel verändert hat, ist Jaromir Jagr immer noch der selbe. Im Februar wird er 44 Jahre alt und noch immer prägt ihn diese positive Besessenheit, wenn er sich für die Florida Panthers die Schlittschuhe schnürt. Dabei hat er beinahe 1.800 NHL-Spiele in den Knochen, mehr als 2.000 Zähler auf dem Punktekonto. &bdquo;Ich möchte, dass die Zeit zwischen meinem Karrierende und meinem Todestag so kurz wie nur möglich ist. Am liebsten würde ich auch als alter Mann noch Eishockey spielen“, gab Jagr unlängst in einem Interview zu Protokoll.

Zum zehnten Mal im All Star Team

Im Laufe der vergangenen Saison wechselte Jagr nach Florida, wo wieder er auf Anhieb seine Spuren hinterließ. Er führte die Panthers aus dem Mittelmaß bis an die zweite Position der Eastern Conference. Mit 33 Scorerpunkten in 46 Spielen trug der Tscheche maßgeblich am Höhenflug bei und bescherte sich selbst die zehnte Teilnahme am NHL All Star Game, das am vergangenen Wochenende in Nashville über die Bühne ging.

Aufgrund seines Alters und der kräftezehrenden Spielformel von Drei-gegen-Drei hatten viele mit einer Absage des Superstars gerechnet. Doch daran dachte er keine Sekunde. &bdquo;Ich wurde gewählt, als muss ich auflaufen“, so Jagr im Vorfeld des Show-Events.

Neben ihm spielten im Atlantic Team Jungspunde wie etwa Detroit-Verteidiger Dylan Larkin (Jahrgang 1996!), und dennoch nahm Jagr einmal mehr die Hauptrolle auf dem Eis ein. Ihm gelang sein fünfter Treffer in einem All Star Game, doch vielmehr als mit dem Torerfolg riss er die Zuschauer in der Bridgestone Arena mit seiner sagenhaften Puckbehandlung, seinem typischen Laufstil und seinem unbändigem Spielwitz in seinen Bann. Genauso wie er das vor 21 Jahren in der Bozner Eiswelle tat.

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