Banges Warten auf ein Wunder

Man muss beim Spaziergang eigentlich nur die Augen ein wenig offen halten, bewusst um sich schauen und man wird ihn entdecken: Den Basketballkorb. Meist hängt er direkt in der Mitte über einem Garagentor. Er gehört fast schon zur Grundausstattung eines Häuslebauers wie das Trampolin, das auch einen Siegeszug angetreten hat. Allerdings um Längen geschlagen von diesem Ring mit dem Netz darunter, der tatsächlich weltweit Platz gefunden hat. So ist es nicht verwunderlich, dass 450 Millionen Menschen Basketball spielen. Das sagt jedenfalls der Weltbasketballverband FIBA. Und auch wenn es weniger sein sollten, sind es immer noch viele. Mehr jedenfalls, als Fußball spielen. Volleyball soll übrigens ähnlich intensiv weltweit betrieben werden. Aber das nur nebenbei, was mich dennoch zum Kern der heutigen Kolumne führt. Wo ist Basketball? Die Überschriften sogar in den großen überregionalen Zeitungen widmen sich erst mal wie üblich den Kickern. Joshua Kimmich soll angeblich jetzt wieder Rechtsverteidiger spielen, allerdings mit Offensivdrang. Hört, hört. Dabei wollte der Bayernspieler nie mehr in die Abwehr. Alexander Zverev gehören auch dicke Lettern. Er war nach dem epischen Match gegen Jannik Sinner nämlich derart malade, dass er gegen Carlos Alcaraz in New York nicht einmal den Hauch einer Chance hatte. Die Turmuhr schlug gerade zweimal zur vollen Stunde, da war Zverev schon geschlagen. Und irgendein Fußballtrainer wackelt natürlich schon wieder. Irgendwo. Eigentlich ist das schon keine Meldung mehr wert, weil es immer so ist. Es wäre also durchaus Platz vorhanden eben für Basketball, denn die deutsche Nationalmannschaft hat Lettland mit zwei Punkten Vorsprung geschlagen und spielt jetzt um den Einzug ins Finale gegen die USA, die zuvor Italien aus dem Weltturnier in Asien geworfen haben. Für Italien war das doppelt tragisch, denn damit wurde die Chance verpasst, sich schon mal vorzeitig für die Olympischen Spiele in Paris zu qualifizieren als eines der zwei besten europäischen Teams bei der WM. Diese Plätze belegen nun Serbien und eben Deutschland. Ein Sommermärchen also unter dem Basketballkorb? Weit gefehlt. Verschämt versteckt man die Erfolgsmeldungen. Auf den Zeitungsseiten unten links, wo man sonst die Gegendarstellungen platziert, weil die Leser dort erfahrungsgemäß erst zum Schluss der Lektüre landen. Oder im Internet so weit hinten, dass man ordentlich auf die Maustaste drücken muss, um zu einem erfolgreichen Korbwurf zu gelangen. Dabei ist dieser jetzt schon feststehende vierte Platz das erfolgreichste Abschneiden einer deutschen Basketballmannschaft seit 2002. Damals verlor das Team das Halbfinale gegen Argentinien, sicherte sich dann aber ziemlich locker Bronze gegen Neuseeland. Überragender Spieler damals: Dirk Nowitzki, Deutschlands Mister Basketball, der erst jüngst in die &bdquo;Hall of Fame“ seiner Sportart aufgenommen wurde. Er spielte fast während seiner gesamten Karriere bei den Dallas Mavericks und war immer ein Muster an Verlässlichkeit. Ein Star ohne Allüren. Von seinem potentiellen Nachfolger Dennis Schröder kann man das nicht unbedingt behaupten, wenngleich dieser als Regisseur und Spielmacher eine ganz andere Position einnimmt als Nowitzki seinerzeit. Gegen Lettland war Schröder wohl gänzlich von der Rolle. Er traf zwischendurch nicht mal den Ring am Korb und hatte Glück, dass ihn seine Mannschaftskameraden auffingen und seine Tagesschwäche kompensierten. Gerade noch so eben. Basketball bleibt in der Nische Trotz dieses Erfolges der Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes mit dem kanadischen Trainer Gordon Herbert (noch immer ohne Niederlage) ist jetzt kein Boom zu erwarten. Sportgeschäfte mit Basketballzubehör werden nicht überrollt werden. Basketball ist und bleibt wohl weiterhin eine sogenannte &bdquo;Randsportart“, die vor allem vom Lokalkolorit lebt und von begeisterten Fans wie Uli Hoeneß, der für die finanziellen Grundlagen etwa bei den Basketballern des FC Bayern sorgt. Ohne ihn gäbe es diesen Sport wohl nicht in München mit professionellem Umfeld. Im letzten Jahr gewann die deutsche Mannschaft übrigens Bronze bei der Europameisterschaft nach einem Sieg gegen Polen. Das hat seinerzeit auch nur für eine kurzes Hurra gesorgt und ist jetzt schon fast vergessen. Was müsste also passieren, damit in den nächsten Tagen Basketball wenigstens für einen kurzen Wimpernschlag der Sportgeschichte seinen Nischenplatz verlassen könnte? Es ist relativ simpel. Einfach nur zunächst gegen die USA gewinnen und dann vielleicht noch das Endspiel dieser Weltmeisterschaft. Dann käme man als Weltmeister zurück und niemand, wirklich niemand könnte das dann noch negieren. Dann gäbe es vielleicht ein wenig Kritik, weil die Spiele nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen worden sind. Silbereisen und seine simplen Shows sind billiger zu produzieren, als Sportrechte wohl auch vom Basketball kosten. Doch erfahrungsgemäß hielte das auch nicht lange an. Schon rollen nämlich mit rasendem Tempo die Länderspiele der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Japan und Frankreich an. Und da geht es um nichts Geringeres als um die Zukunft von Bundestrainer Hansi Flick nach seinem bislang erfolglosen Wirken. Die Basketballer um die Wagner-Brüder und Dennis Schröder sind bedauerlicherweise eben nur eine Bereicherung im derzeitigen Sportkalender, weshalb ich irgendwie träume und hoffe, dass ihnen ein kleines Wunder gelingen möge, auch wenn die Trauben in ihrem Korb wohl extrem hoch hängen. In jeder Beziehung. Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist, Buchautor und Eurosport-Kommentator widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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